© MISSION KI / Liesa Johannssen

30 September 2025

„Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen akademischer Forschung und Unternehmensgründung.“

Elf exzellente Nachwuchsforschende aus ganz Deutschland haben im Februar ihre Reise ins Unternehmertum begonnen: Im Rahmen des AI Founder Fellowship von MISSION KI arbeiteten sie neun Monate lang daran, ihre KI-Forschung in marktfähige Gründungen zu überführen. Unterstützt werden sie dabei von Venture Developern, Coaches und einem breiten Mentoring-Netzwerk. Am 9. Oktober präsentieren die Fellows ihre Gründungsvorhaben beim Demo Day in Berlin-Neukölln erstmals vor einem größeren Publikum.

Wir haben mit Dr. Julian Kahl, Leiter des Fellowship-Programms bei MISSION KI/acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, über die Idee, den bisherigen Weg und die Perspektiven des Programms gesprochen.

 

Herr Dr. Kahl, Sie leiten das AI Founder Fellowship, das seit Februar elf Forschende dabei unterstützt, ihre KI-Forschung in Startups zu überführen. Was war die Idee hinter diesem Programm – und warum braucht es genau so ein Format in Deutschland?

Deutschland zählt weltweit zu den führenden Forschungsstandorten und investiert enorme Summen in Forschung und Entwicklung. Dennoch gelingt es viel zu selten, dass aus diesen wissenschaftlichen Spitzenleistungen marktfähige Produkte oder erfolgreiche Gründungen hervorgehen. Ein enormes Innovationspotenzial bleibt somit ungenutzt.

Genau hier setzt das AI Founder Fellowship an. Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen akademischer Forschung und Unternehmensgründung. Wir wollen Forschende umfassend dabei unterstützen, ihre Ergebnisse in die Praxis zu überführen. Tatsache ist, dass der Übergang von der Wissenschaft in die Gründungswelt viele neue, oft ungewohnte Herausforderungen mit sich bringt. Diese reichen von der Frage nach dem Marktpotenzial, über den Teamaufbau bis zum erfolgreichen Fundraising. Auch der Umgang mit wirtschaftlichen und persönlichen Risiken gehört dazu.

Mit dem Fellowship-Programm ermöglichen wir es Forschenden, ihre Ideen in einem geschützten Umfeld weiterzuentwickeln. Sie können Gründungspotenziale validieren und Fundraising-Kompetenzen aufbauen, ohne dass sie große Risiken eingehen oder Unternehmensanteile abgeben müssen. 

Neben der Finanzierung und der Übernahme der Kosten für technische Entwicklung, ist die enge Begleitung durch unser Venture Developer-Team ein zentrales Element des Programms. Die Venture Developer bringen das notwendige unternehmerische Know-how mit, das Gründungsteams aus der Forschung häufig fehlt. Mit ihrer Expertise unterstützen sie die Fellows beim Aufbau von Teams und Strukturen und geben so genau den praktischen Support, den die Forschenden für ihren Weg in die erfolgreiche Gründung brauchen.

 

Die Fellows haben ein intensives Unterstützungspaket durchlaufen – von Geschäftsmodell-Validierung bis hin zum Aufbau von Teams. Welche Erfahrungen oder Entwicklungen aus diesen neun Monaten haben Sie besonders beeindruckt?

Unsere Programmteilnehmenden sind zunächst als reine Forscherteams mit teilweise extrem technologie- und forschungsintensiven, sogenannten DeepTech-Gründungsideen, gestartet. Wenn es darum geht, innerhalb kurzer Zeit den Schritt in Richtung Gründung zu gehen, ist dies besonders herausfordernd. Daher war es beeindruckend zu sehen, mit wie viel Motivation und Offenheit die Fellows den Weg angetreten sind. Durch das Zusammenspiel klar strukturierter Inhalte im Programm-Curriculum und der intensiven Unterstützung durch die Venture Developer haben die Fellows innerhalb weniger Monate bemerkenswerte Fortschritte erzielt.

Die Fellows haben es geschafft, ihre ursprünglichen Gründungsideen wesentlich voranzutreiben. Einige Teams stehen unmittelbar vor der Gründung und haben erste Investorengelder eingeworben. Manche stehen kurz vor dem Abschluss einer Investitionsrunde. Was mich besonders gefreut hat, ist das große Engagement, das unser Ökosystem bestehend aus Mentor:innen, Investor:innen und Partner:innen bei der Unterstützung der Teams gezeigt hat. 

 

Eine Jury aus dem MISSION-KI- und acatech-Netzwerk hat die besten Ideen für das Fellowship ausgewählt. Welche Kriterien waren dabei entscheidend – und was zeichnet die diesjährige Kohorte aus Ihrer Sicht besonders aus?

Eine wichtige Stellschraube für den Erfolg des Programms war, dass wir sehr sorgfältig ausgewählt haben. Denn nur mit den besten Teams und vielversprechendsten Ideen können Startups mit großem Innovationspotenzial entstehen. Schon im Bewerbungsprozess haben wir deshalb klare Kriterien definiert: Zum einen mussten Bewerbende Forschungsexzellenz nachweisen. Zum anderen war es entscheidend, dass die Projektideen ein hohes Maß an technologischer Innovation sowie ein nachweislich großes Marktpotenzial mitbringen. Bei der Auswahl war uns wichtig, die Vorhaben aus wissenschaftlich-technischer und aus Investorenperspektive zu bewerten. Im Zusammenspiel dieser beiden Perspektiven konnten wir das Innovationspotenzial jeder Idee fundiert bewerten.

Im Unterschied zu vielen anderen Formaten ist das AI Founder Fellowship bundesweit angelegt. Dadurch konnten wir KI-Forschende aus ganz Deutschland erreichen. Die Fellows sind dementsprechend deutschlandweit verteilt. Wir organisieren regelmäßig Bootcamps am Berliner Merantix AI Campus, die die Fellows gemeinsam durchlaufen.

Was die diesjährige Kohorte auszeichnet, ist die technologische Tiefe ihrer Vorhaben sowie die Tatsache, dass die Fellows aus sehr unterschiedlichen akademischen Disziplinen kommen. Erwartungsgemäß waren unter den Bewerbungen viele Gründungsideen aus der Informatik. Dass darüber hinaus zahlreiche Anträge aus den Ingenieurswissenschaften, der Bioinformatik und -medizin, Elektrotechnik, Physik und Psychologie gestellt wurden, freut uns und unterstreicht den Querschnittscharakter der Künstlichen Intelligenz. Genau diese Vielfalt spiegelt sich in der ersten Kohorte des AI Founder Fellowship wider. 

 

Der Demo Day am 9. Oktober markiert den Abschluss des Programms. Was erwartet die Besucher:innen – und warum ist dieser Moment so zentral für die Fellows?

Der Demo Day ist zugleich Höhepunkt und Abschluss des Programms. Für die Fellows ist dies ein zentraler Moment, weil sie an diesem Tag vor einem hochkarätigen Publikum aus Investor:innen, Gründer:innen, Industrieexpert:innen, Politik und Öffentlichkeit zeigen können, was sie in den vergangenen neun Monaten aufgebaut haben. In kurzen Pitches stellen die Teams ihre Gründungsvorhaben vor und zeigen auf, wie sie aus forschungsintensiven Ideen tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt haben. 

Das Programm ist bewusst vielseitig gestaltet. Prof. Henning Kagermann, ehemaliger CEO von SAP und acatech-Kuratoriumsvorsitzender, eröffnet den Demo Day mit einer Keynote. Anschließend folgen weitere Keynotes von Thomas Jarzombek, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung sowie vom Serienunternehmer Carsten Kraus. Ein weiteres Highlight ist der Panel Talk „Beyond the Blueprint – Contrasting Founder Journeys“, in dessen Rahmen erfolgreiche Gründerinnen ihre ganz unterschiedlichen Wege in das Unternehmertum aufzeigen und über die ihre persönlichen Erfahrungen diskutieren.

Im Mittelpunkt des Tages stehen die Pitches unserer Fellows. Eine Jury bestehend aus Frühphaseninvestore:innen wird die Pitches bewerten und die zwei überzeugendsten Gründungsteams mit einem Award auszeichnen.

 

Berlin gilt als Hotspot für KI in Deutschland. Welche Rolle spielt das Berliner Ökosystem für das Fellowship und für Gründer:innen, die aus der Forschung heraus starten?

Das Berliner KI-Ökosystem spielt für uns eine zentrale Rolle. Berlin hat sich zu einem Hotspot für KI entwickelt. Die Stadt verfügt über eine hohe Dichte an Forschungsinstitutionen, eine dynamische Gründungsszene und zahlreiche Investor:innen. Unsere Fellows kommen aus Hochschulen aus ganz Deutschland. Mit dem Fellowship ermöglichen wir ihnen den direkten Anschluss an dieses KI-Ökosystem. 

 

Nach Ende der Förderung stehen die Teams am Übergang in die Praxis. Wie geht es für sie weiter – und welche Rolle wird das AI Founder Fellowship künftig im Transfer von KI-Forschung in Startups spielen?

Der Abschluss des Programms markiert für die meisten unserer Fellows den entscheidenden Schritt in die eigene Unternehmensgründung. Viele Teams haben diesen Übergang sorgfältig vorbereitet und sind nun bereit, durchzustarten. Ein Großteil konnte sich schon Anschlussfinanzierungen sichern – von Business Angels über spezialisierte Frühphasenfonds bis hin zu renommierten Deep-Tech-Investor:innen. Diese Mittel fließen nun direkt in die Weiterentwicklung ihrer Technologien und Produkte sowie in den Markteintritt. Somit ist sichergestellt, dass die Ergebnisse der Programmarbeit zügig in die Praxis übergehen.

Für die Zukunft des AI Founder Fellowship denken wir bereits über mögliche nächste Programmgenerationen nach, mit denen sich der Transfer von KI-Forschung in Startups weiter stärken und beschleunigen lässt. Konkrete Details können wir noch nicht nennen – erste Einblicke werden wir dann im Rahmen des Demo Day am 9. Oktober teilen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.