Dr. Rasmus Rothe, Merantix AG © Dr Rasmus Rothe

16 November 2018

"Ziel ist es „KI made in Germany“ als international anerkanntes Qualitätssiegel zu etablieren.“

Dr. Rasmus Rothe ist Gründer von Merantix, einem in Berlin ansässigen AI Venture Studio, das reale Probleme mittels Deep Learning angeht. Zudem hat er 2014 den HackZurich gegründet, welcher zum größten Hackathon in Europa wurde.

Sie haben sich mit Merantix zur Aufgabe gemacht, reale Probleme mithilfe von Deep Learning anzugehen. Was hat es damit auf sich und wo setzen Sie an?

KI birgt ein hohes Innovationspotenzial und vielfältige Anwendungsmöglichkeiten von der Unterstützung einen Arztes bei der Diagnose bis hin zum autonomen Fahren. Genau hier setzt Merantix an. Als Europas führende Plattform für die Kommerzialisierung von KI, bauen wir unabhängige, disruptive Unternehmen auf, die KI-Spitzenforschung in marktfähige Anwendungen umsetzen. Spezialisiert auf die Bereiche Deep Learning und Computer Vision, arbeiten wir eng mit europäischen Industrie- und Technologieunternehmen zusammen und beschäftigen Wissenschaftler und Ingenieure renommierter internationaler Universitäten.

Sie sind mit Ihren Projekten breit aufgestellt. An welchen Innovationen wird ganz konkret gearbeitet?

Die im Arbeitsfeld Healthcare entwickelte selbstlernende Software teil-automatisiert die Befundung radiologischer Bilder, übernimmt dadurch einen großen Teil der repetitiven Arbeit und ermöglicht dem Radiologen sich auf komplexe und herausfordernde Untersuchungen zu fokussieren.

In Bezug auf den wohl größten Zukunftstrend im Straßenverkehr, dem autonomen Fahren, hat Merantix im Arbeitsfeld Automotive eine Testplattform für selbstfahrende Autos entwickelt, die deren Entwicklungsfortschritt beschleunigt und in Folge Unfälle verhindern kann.

MX Labs entwickelt für Großunternehmen eigene KI-Anwendungen in Bereichen wie Computer Vision und Natural Language Processing. Auf diese Weise ergründen wir auch neue Anwendungsfelder und Partnerschaften für zukünftige Ausgründungen.  Beispielhaft lassen sich hier derzeit automatisierte Systeme in der Produktion, der Pathologie und der Raumfahrt nennen.

Sie haben sich dafür entschieden, das Unternehmen in Berlin zu gründen. Wie beurteilen Sie den Standort Berlins als Zentrum für technologische Innovation, besonders in Bezug auf das Gebiet der Künstlichen Intelligenz? Was unterscheidet Berlin von anderen Standorten und macht die Stadt attraktiv für Talente?

Deutschland bietet eine gute Infrastruktur für Forschung und Entwicklung und ermöglicht so auch einen schnellen Technologie- und Wissenstransfer. Zudem verfügt Deutschland über zahlreiche führende Industrieunternehmungen, mit denen wir wertvolle Partnerschaften, vor allem im Bereich Daten- und Industrie-spezifisches Wissen eingehen können. Ziel ist es „KI made in Germany“ als international anerkanntes Qualitätssiegel zu etablieren und Deutschland als Innovationstreiber bei der Kommerzialisierung von KI zu positionieren.

Welche Bedeutung hat Merantix für die KI-Branche in Berlin und darüber hinaus?

Merantix zieht international hochqualifizierte KI-Experten an, die nach Berlin ziehen und damit den KI-Standort fördern. Darüber hinaus erschließen unsere KI-Produkte nicht nur neue Märkte, sondern fördern auch den Binnenmarkt. Der Standort Berlin hat den Vorteil, dass wir im engen Austausch mit der Politik die Entwicklung der deutschen KI-Strategie unterstützen können. Durch Vorträge versuchen wir die Gesellschaft lokal weiter über die Chancen von KI aufzuklären.

Blicken wir in die Zukunft: Welche Herausforderungen, Probleme und Chancen sehen Sie für die Zukunft von Künstlicher Intelligenz generell? Welche Bereiche werden in wenigen Jahrzehnten durch Deep Machine Learning transformiert worden sein?

KI funktioniert dann besonders gut, wenn es hochqualitative Datensätze gibt, von denen sie lernen kann. Gerade in der praktischen Anwendung ist dies nicht sofort gegeben und es bedarf einiges an Aufwand für die Aufbereitung der Daten. Besonders die sogenannten Corner Cases, also seltene Datenpunkte – unübliche Tumore in der automatisierten Radiologie, komplexe Verkehrssituationen im autonomen Fahren – sind besonders wertvoll, um die KI-Algorithmen zu verbessern oder sie auf Fehler zu testen.

Große Chancen sehe ich in Deutschland vor allem in Industrien, in denen wir traditionell stark sind: Automobil (z.B. autonomes Fahren), Gesundheit (z.B. automatisierte Diagnostik) und Industrie (z.B. automatisierte Qualitätskontrolle).

AI hat sich über die letzten Jahre mit Riesenschritten weiterentwickelt und wird aus unserem Leben bald nicht mehr wegzudenken sein. Welche Hinweise geben Sie Unternehmen, die auf Sie zukommen und sich vermehrt mit dem Thema AI beschäftigen wollen, um Innovationen voranzutreiben?

Unternehmen sollten so früh wie möglich ihre Geschäftsbereiche auf KI-Anwendungsmöglichkeiten analysieren. Darüber hinaus gilt es zu ermitteln, ob es vielleicht auch neue Geschäftsmodelle gibt, die durch KI erst ermöglicht werden. Pragmatisch umgesetzte Pilotprojekte können helfen das wirkliche Potential anzutesten, bevor größer investiert wird.