Andreas Klug, Bitkom © Bitkom

08 Mai 2019

„Es ist an der Zeit, dass wir damit aufhören, Menschen und Maschinen als Rivalen zu betrachten.“

Welchen Stellenwert hat Künstliche Intelligenz „Made in Germany“ oder „Made in Berlin“? Wird genug getan, um nicht den Anschluss an die USA und China zu verlieren? Wie kann eine Zukunft aussehen, in der Mensch und Maschine koexistieren? Jemand, den solche Fragen umtreiben, ist Andreas Klug. Der ausgewiesene Experte für digitalen Wandel leitet den Arbeitskreis „Artificial Intelligence“ im IKT-Branchenverband Bitkom und ist CMO der ITyX AG, die intelligente Automatisierung in Service und Backoffice für namenhafte Unternehmen entwickelt hat.

Sie erhalten sowohl als Vorsitzender des Arbeitskreises KI im Digitalverband Bitkom als auch als Vorstand der ITyX herausragende Einblicke in die Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft. Wie setzt sich der Arbeitskreis zusammen und was sind seine Ziele?

Der Bitkom-Arbeitskreis „Artificial Intelligence“ ist prominent besetzt. Neben den großen Anbietern, Beratern und Integratoren kommen hier vor allem Anwender aus verschiedenen Branchen zusammen. In der Regel sind es die Verantwortlichen für Digitalisierung, Big Data und neue Geschäftsmodelle aus mittleren bis großen Unternehmen. Sie bringen ihr Wissen über KI ein. Und wir moderieren diesen intensiven Dialog von Anwendern und Anbietern: Es geht um Erfolgsgeschichten, Anwendererfahrungen, Praxistipps und aktuelle Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik.

Das Thema Künstliche Intelligenz beschäftigt ja den gesamten Arbeitsmarkt. Sie arbeiten im Arbeitskreis mit Experten aus über 100 Unternehmen und Startups zusammen und es findet ein Erfahrungs- und Wissensaustausch statt. Welche Wirtschaftsbereiche sind besonders im Blickfeld von KI-Bemühungen?

Seien wir ehrlich: Es gibt keine Branche, die nicht vom Digitalen Wandel betroffen ist oder in naher Zukunft betroffen sei wird. Das beginnt mit digitalen Assistenten an unseren Computer-Arbeitsplätzen, die uns bei der Abwicklung von Büro- und Verwaltungsprozessen unterstützen, und es geht bis zum Einsatz von KI für Smarte Mobilität unserer Bürger oder präzisere Diagnostik im Gesundheitsbereich. Das produzierende Gewerbe und die Industrie sind das Herzstück der deutschen Wirtschaft, auch hier schreitet der Einsatz von KI rasant vor. Nicht umsonst startet die Leitmesse in dieser Branche, die Hannover Messe, in diesem Jahr unter dem Motto „Integrate Industry – Industrial Intelligence“.

Man bemerkt eine Trendwende: Über KI wird in der Öffentlichkeit eindringlicher diskutiert und hat zuletzt auch Debatten der Bundesregierung erreicht. Sind wir auf dem richtigem Weg?

Ein klares: Ja. Es ist an der Zeit, dass wir damit aufhören, Menschen und Maschinen als Rivalen zu betrachten. Längst geht es nicht mehr darum, OB wir intelligente Maschinen zu unserer Unterstützung kreieren. Es geht vielmehr darum, WIE wir ein Umfeld schaffen, indem wir eine optimale Mensch-Maschine-Zusammenarbeit realisieren können. Vor allem im politischen Betrieb nehmen wir einige „Aufbruchsignale“ wahr: Seit September 2018 tagt die Enquete-Kommission KI. Die Datenethikkommission hat ihre Arbeit aufgenommen. Die Bundesregierung hat Ihre KI-Strategie vorgestellt. Wir sind als Digitalverband in Berlin in alle Aktivitäten eingebunden. Auch auf EU-Ebene berät die „High-Level Expert Group on AI“. Sie wird Anfang April ihre Ethikrichtlinien vorstellen.

In Berlin sind fast ein Drittel aller deutscher Unternehmen angesiedelt, die sich mit KI beschäftigen. Was macht die Hauptstadt zu so einem wichtigen Standort und was unterscheidet Berlin von anderen Zentren im Bereich KI – sowohl national als auch international?

Berlin verfügt über ein einmaliges Ökosystem – sowohl im wirtschaftlichen als auch im soziokulturellen Kontext. Führende Unternehmen haben in Berlin Inkubatoren und Akzeleratoren positioniert, um das Beste aus alter und neuer Ökonomie zu vernetzen und Synergieeffekte zu erzeugen. Als Kölner muss ich anerkennen: Berlin hat eine hohe Dichte an (Tech-)Startups. Das finden wir so in keiner anderen deutschen Stadt.

Wie sehen Sie die Innovations- und Investitionsbereitschaft in Deutschland in Bezug auf Künstliche Intelligenz?

Der Investitions-Hotspots China und USA zum Trotz: Es ist verfrüht, Deutschland technologisch abzuschreiben. Ich vertraue da ganz auf die Erfolgs-DNA des Deutschen Mittelstands. Die angekündigten drei Milliarden Euro Förderung der Bundesregierung bis 2025 für KI klingen nach einer großen Summe. Im Vergleich zu den privaten Investitionen in China und den USA erscheint diese Summe aber nicht gerade ambitioniert. Denn die chinesische Wirtschaft investiert auch drei Milliarden – aber jeden Monat. Die Venture Capital Szene in Deutschland in Bezug auf KI könnte zudem auch besser gestaltet werden. Aber ich bin durchaus optimistisch, dass unsere Initiativen zum Erfolg führen werden. Deutschland wird in Bezug auf KI wichtige Impulse setzen können.

Der öffentliche Diskurs schwankt bekanntlich zwischen Angst und Vorfreude. Wie sehen Sie die Chancen, Potenziale und Risiken?

Angst ist kein guter Wegbereiter. Wir müssen gemeinsam schauen, dass die Öffentlichkeit die Potenziale von KI für die Erhöhung der Produktivität und Verbesserung unserer Lebensbedingungen besser wahrnimmt. Auch eine sachlich ausgewogene Diskussion über potenzielle Risiken des Einsatzes von KI ist notwendig. Dafür ist auch ein verbessertes Wissen über die Grundmechanismen von KI in der Breite der Bevölkerung notwendig. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Großaufgabe, der wir uns stellen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.