Dataconomy und Data Natives CEO und Gründerin Elena Poughia © Berlin Partner

26 August 2022

"Hier fühlt es sich an wie eine Community von Menschen, die zusammenarbeiten, um die Zukunft zu gestalten."

Wenn man auf der Suche nach einer Veranstaltung ist, die Europas Communities für Data Science und Machine Learning an einem einzigen Ort zusammenbringt, dann führt kein Weg an Data Natives vorbei. Und da die jährliche Ausgabe für 2022 Ende August bereits vor der Tür steht, haben wir Gründerin Elena Poughia bei #ki_berlin zu Wort kommen lassen.
Das Interview wurde auf Englisch geführt.

Hallo Elena, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Gespräch mit uns genommen hast. Könntest du dich bitte kurz vorstellen?

Ich bin die Gründerin und CEO von Dataconomy, Europas führender Medien- und Veranstaltungsplattform für die datengesteuerte Generation. Ich bin gebürtige Griechin und habe in Großbritannien studiert, aber jetzt lebe ich in Berlin, also bin ich wohl eine Mischung aus verschiedenen Kulturen! Da ich meine Karriere in der Kunst begonnen habe, habe ich im Bezug auf das Thema Business beide Seiten der Medaille kennengelernt, und setze mich daher leidenschaftlich für die Interessen Anderer ein. Ich bin Mentorin für von Frauen geführte Start-ups und engagiere mich auch für mehr Verantwortung und Rechenschaft wenn es um die Kontrolle über unsere Daten geht. Das Projekt, auf das ich mich im Moment am meisten freue, ist die bevorstehende Data Natives Conference, die vom 31. August bis zum 2. September 2022 stattfindet. Ich habe Data Natives als Schwesterunternehmen von Dataconomy gegründet, und heute ist es die größte Online-Community von Datenexperten weltweit. Unser alljährliches Event ist der Ort, an dem man das Neueste aus der Welt der Technik erfährt.

Du hast dich bei der Gründung von Dataconomy und Data Natives für Berlin als Standort entschieden. Was waren die ausschlaggebenden Faktoren? Und sind diese Aspekte auch heute noch gültig?

Ich war als Studentin ein paar Mal in Berlin und fand die Stadt toll. Die Stadt ist nicht nur die am schnellsten wachsende Tech-Hauptstadt Europas, sondern die Menschen hier sind auch echte Changemaker. Man hat das Gefühl, dass Berlin an der Schwelle zu etwas Unglaublichem steht, und ich wollte ein Teil davon sein. Natürlich haben die Entwicklungen in der Kunst in den letzten Jahren die Stadt noch weiter in den Bereich des Verrückten und Genialen gebracht, und auch auf technischer Seite gibt es hier eine großartige Basis für Start-ups – man hat das Gefühl, dass hier eine Community von Menschen zusammenarbeitet, um die Zukunft zu gestalten. Eine weitere Besonderheit der Berliner Szene ist die Überschneidung von Datenwissenschaft und Kunst. Mit meinem Hintergrund passe ich genau hierher.

Auf der Data Natives, Europas größter Data-Science-Konferenz, bringt ihr euer digitales Publikum jedes Jahr bei einer Reihe von Meetups zusammen. Erzähl uns ein wenig über die Veranstaltung, wie die COVID-19-Pandemie sie seit zwei Jahren (und noch immer) beeinflusst und wie die diesjährige Ausgabe aussehen wird?

Die Data Natives Conference wurde 2015 ins Leben gerufen, um die Diskussion in unserer Online-Community zu erweitern. Es war ein natürlicher nächster Schritt, einige der klügsten Köpfe Europas im Bereich Technologie und KI zu einer konstruktiven Debatte zusammenzubringen, und wir wollten die Grenzen in der Diskussion erweitern. Seitdem ist die Veranstaltung praktisch durch die Decke gegangen und in diesem Jahr werden mehr als 5.000 Teilnehmer erwartet, und es wird 5 Podiumsveranstaltungen und Vorträge geben. Die Data Natives hat eine sehr menschliche Komponente; wir untersuchen auch die sozialen Faktoren, die die Technik bestimmen und die Frage, wer die Branche kontrolliert. Ich denke, dass die Tatsache, dass wir so sehr von persönlichen Gesprächen abhängig sind, bedeutet, dass die Verlegung der Konferenz ins Internet während der COVID-Pandemie eine schwierige, aber notwendige Entscheidung war. Aber so viel sei gesagt: Wir sind froh, dass wir 2022 wieder live und vor Ort dabei sind!

Bei Data Natives in 2022 geht es darum, sich in unbekannte Welten zu wagen und neue Ansätze zu erforschen – vor allem beim Thema Blockchain. Wie kam es dazu?

Bei der diesjährigen Ausgabe geht es darum, neue Wege zu gehen, Entwicklungen voranzutreiben und die Grenzen der aktuellen Technologie zu erforschen; es ist ein bisschen Sci-Fi, ein bisschen unkonventionell, aber ich denke, das ist es, was Data Natives sein sollte. Als Branche befinden sich Data, Technologie und künstliche Intelligenz am äußersten Rand des Möglichen; es ist ein bisschen wie ein Eisberg, und die meisten Menschen wissen nicht, wie viel unter der Oberfläche vor sich geht, von dem sie nichts wissen. Daher denke ich, dass Dataconomy und Data Natives als Konferenz ihr Ziel verfehlt hätte, wenn sie nicht zumindest damit beginnen würde, die Diskussion über Themen wie Blockchain anzustoßen, von dem wir annehmen, dass es das nächste große Ding sein wird. Ich denke, wir haben die Verantwortung, dieses Thema für die Menschen zu entmystifizieren. Wenn man einige der renommiertesten Technikexperten der Welt in einem Raum versammelt, warum sollte man sie dann nicht fragen, wie die Zukunft aussieht?

Was ist deiner Meinung nach die Stärke Berlins als KI-Hub und wie hebt es sich von anderen Städten wie San Francisco, New York oder London ab? Und welche Rolle können regionale Ökosysteme im Gesamtbild der KI spielen?

Berlin ist eine Verschmelzung von Ideen und Kulturen; es ist ein Treffpunkt zwischen Ost und West, und es entwickelt sich immer noch weiter. New York, San Francisco und London sind natürlich etablierte Identitäten und ihre Tech-Szene ist hoch entwickelt, was in Berlin nicht der Fall ist. Ich denke, dass Berlin als Stadt eher dem alten Klischee entspricht: "Lokal handeln, global denken". Berlin verkörpert das. Die Stadt wächst als Gemeinschaft und deshalb ist sie ein großartiger Ort für Start-ups. Hier herrscht ein echtes Gefühl der Zusammenarbeit, und genau hier kommen die regionalen Ökosysteme ins Spiel. Kleinere Communities ermöglichen es, das gesamte Spektrum an Start-ups und Ideen abzudecken, was in größeren Tech-Hubs wie New York und San Francisco schwieriger ist, wo große Firmen dazu neigen, das Entwicklungspotenzial von sehr kleinen Start-ups auszusaugen. In Berlin haben wir das Gefühl, dass das Ökosystem groß genug ist, um durch freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen Fortschritte zu erzielen, aber nicht so groß ist, dass der Typ, der in seinem Gästezimmer mit KI experimentiert, ausgeschlossen wird.

Du hast einen interdisziplinären Hintergrund mit einem starken Fokus auf moderne und zeitgenössische Kunst. Welchen Einfluss hat die KI auf die digitale Kunst oder die Kunst im Allgemeinen?

Zum einen haben Kunst und künstliche Intelligenz viel gemeinsam, nämlich, dass sie beide ziemlich einschüchternd sind, wenn man sie nicht versteht. Vor allem aber glaube ich, dass es in der Kunst darum geht, die Grenzen dessen zu erweitern, was der menschliche Verstand erschaffen kann; wie kann man selbst Dinge neu lernen, um die Details zu sehen und zu erweitern, die die meisten Menschen nie wahrnehmen? KI hat die Fähigkeit, uns dabei zu helfen. Natürlich lernt die KI von uns, und im Falle der Kunst kann sie allein durch ihre Fähigkeit, Daten zu verarbeiten, mehr Material synthetisieren, als wir es je könnten. Was mich also am meisten an der Interaktion zwischen Technologie und Kunst begeistert, ist die Tatsache, dass sie die Kunst, wie wir sie kennen, neu definieren kann. Es bedeutet auch, dass mehr Menschen in der Lage sein werden, KI als eine kreative Kraft zu verstehen, die über das etwas beängstigende Konzept einer Alexa in der Ecke eines Raumes, die immer zuhört, hinausgeht. KI-generierte Kunst bedeutet, dass KI begreifbar ist, dass sie greifbare, glaubwürdige Ergebnisse hervorbringt, und ich denke, dass Menschen, die sich sonst vielleicht ein wenig gegen KI sträuben würden, empfänglicher dafür sein werden, dass sie etwas hervorbringt, das sie sich ansehen und nach ihren eigenen Vorstellungen verstehen können.

Du setzt dich stark für den Zugang von Frauen im Bereich von Tech und Datenwissenschaften ein und dafür den Status quo in Frage zu stellen. Besonders im Bereich der KI ist das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und die Voreingenommenheit ein wichtiges Thema. Findet in der Branche ein kollektives Umdenken statt oder hinkt sie noch weit hinterher?

Das ist ein laufender Prozess. Viele Leute arbeiten sehr hart daran, das Profil von Frauen in der Technologiebranche zu schärfen, aber letztendlich muss noch mehr getan werden. In der Tech-Branche gibt es viele unbewusste Vorurteile, und das ist ein besonderes Problem, weil unbewusste Vorurteile so subtil sein können, dass sie nur schwer auszumerzen sind. Man kann langjährige Verhaltensweisen nicht ändern, wenn sich niemand zu ihnen bekennt. Tatsache ist jedoch, dass es nicht nur auf der Einstiegsebene, sondern auch in den Führungsetagen immer noch zu wenig Frauen gibt. Die Technologiebranche ist klassischerweise eine Männerdomäne. Die alte Vorstellung von den "Jungs und ihren Spielzeugen" trifft heute überhaupt nicht mehr zu, aber das Klischee hält sich hartnäckig. Alles, was wir tun können, ist, mehr Hochschulabsolventinnen für die Tech-Branche zu gewinnen und für mehr Inklusion sorgen, indem wir das Gespräch über die Erfahrungen von Frauen in männerzentrierten Bereichen sichtbarer machen. Ich arbeite auch mit von Frauen geführten Start-ups zusammen, um ihnen dabei zu helfen, den oft schwierigen Weg zu gehen, bei der Arbeit gesehen und gehört zu werden. Dennoch ist das nicht genug, und alles, was wir tun können, ist, weiterhin Lärm zu machen und die Frauen zu unterstützen, die allein aufgrund ihres Geschlechts von der Tech-Branche ausgeschlossen werden.

Als Chefkuratorin von Data Natives hast du den Finger am Puls des Geschehens in der Daten- und Technologiebranche. Wie sieht die Zukunft der KI aus? Mit welchen Chancen und Herausforderungen werden wir in 10, 20 oder sogar 40 Jahren konfrontiert sein?

Nun, zum einen glaube ich, dass wir gerade erst anfangen, das Potenzial der KI zu verstehen. Die Möglichkeiten sind verblüffend und wir haben noch nicht einmal an der Oberfläche gekratzt, wie weit wir sie entwickeln können. Werden wir in den nächsten 10, 20, 40 Jahren erleben, dass sie unser Leben wirklich revolutioniert? Ich glaube schon. Meine Hoffnung ist, dass wir die KI zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen können. Es gibt so viele brillante Start-ups, die durch den Einsatz von Datenwissenschaft zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Ich kann mir also vorstellen, dass die KI auf vielleicht weniger offensichtliche Weise mit uns koexistiert. Vielleicht werden wir sie nicht als futuristisches, Star-Wars-artiges Hologramm in unseren Wohnungen sehen, sondern zum Beispiel durch eine schnellere und genauere Gesundheitsfürsorge oder durch die Art und Weise, wie wir unser Geld verwalten. Natürlich erleben wir dies bereits bei Ideen wie der Kryptowährung, aber ich glaube, dass sie irgendwann für alle zugänglicher werden. Ich denke aber auch, dass es so sein muss. Ich gehe davon aus, dass wir vor allem viel Aufklärungsarbeit in Schulen, Universitäten, am Arbeitsplatz und darüber hinaus sehen werden, um die Menschen mit der zunehmenden Präsenz von KI in der Gesellschaft vertraut zu machen und sie darauf vorzubereiten.

Vielen Dank für deine Zeit, Elena!