Daniel Szabo schaut in die Kamera

26 Juli 2022

„Im Ökosystem kann man positive Netzwerkeffekte erzielen, bei denen alle als Gewinner hervorgehen.“

Der Company-Builder Körber Digital entwickelt zusammen mit seinen Partnern benutzerorientierte Software-as-a-Service-Produkte, die die Fertigungseffizienz weltweit steigern. Als Unterstützung immer dabei: Künstliche Intelligenz. Wir haben mit Geschäftsführer Daniel Szabo über die Integration von KI in der Maschinenbauindustrie, der Relevanz von Ökosystemen und Berlin als idealen Ort für die Entwicklung von KI gesprochen.

Hallo Herr Szabo, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben! Was ist Ihre liebste neue Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz?

Es ist insgesamt faszinierend, mit welcher Geschwindigkeit sich die digitalen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz entwickeln. Dies betrifft so viele verschiedene Anwendungsbereiche, dass es quasi unmöglich ist, nur eine zu benennen…

Momentan finde ich DALL·E 2 eine der faszinierendsten AI-Entwicklungen (https://openai.com/dall-e-2/). Dabei handelt es sich um ein KI-System, welches die Beziehung zwischen Bildern und dem beschreibenden Text gelernt hat. So ist es beispielsweise möglich, aus einer Textbeschreibung realistische Bilder und Grafiken zu erstellen. Dieses KI-System ist ein hervorragendes Beispiel für die grenzenlose Kreativität und Anwendungsvielfalt von Künstlicher Intelligenz – und vor allem auch dafür, dass es Spaß macht, sich mit KI auseinanderzusetzen und herumzuexperimentieren, was alles möglich ist.

Das Projekt zeigt jedoch auch die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit KI. Im Fall von DALL·E 2 bedeutet das unter anderem die Einschränkung der Erzeugung von Gewalt- oder Hassbildern sowie sexuellen Inhalten.

Ihr Unternehmen Körber Digital beschäftigt sich mit der Integration von KI in der Maschinenbauindustrie. Welche Lösungen und Produkte im Speziellen bieten Sie an?

Für unsere Mission „AI-powered manufacturing efficiency” entwickeln wir Hersteller- und Industrie-unabhängige SaaS-Lösungen auf Basis von drei Hauptsäulen: Datenzugriff und -analytik, Konnektivität und innovative Technologie. Aktuell besteht unser Portfolio aus drei, bald schon vier, Ventures.

2020 wurde mit FactoryPal unser erstes Venture ausgegründet, welches mit einem hochentwickelten Machine-Learning-Algorithmus zur kontinuierlichen Optimierung der Overall Equipment Effectiveness (OEE) von bis zu 30 Prozent beiträgt. Unser zweites Venture, InspectifAI, beschäftigt sich mit der Entwicklung und Implementierung von KI-gestützten Methoden in der optischen Inspektionskontrolle pharmazeutischer Produkte, wodurch die Detektionsrate der Inspektionsmaschine um bis zu 100 Prozent gesteigert wird – bei zeitgleicher Reduktion der Auswurfrate von Gutprodukten. Mit unserem dritten Venture, DAIN Studios, wollen wir unsere Möglichkeiten erweitern, die Macht der KI zu nutzen, um einen sichtbaren Geschäftswert auf der Seite unserer Kunden zu schaffen. DAIN Studios hilft Unternehmen dabei, eine klare Vision, strategische Ziele und einen umsetzbaren Implementierungsplan für Daten und KI zu definieren und neue datengesteuerte Möglichkeiten zu identifizieren. Unser jüngstes Projekt VAIBE, welches noch dieses Jahr ausgegründet werden soll, konzentriert sich auf das Engagement und die Motivation von Blue-Collar-Mitarbeitern, wobei auf Spielmechanik und -strategien sowie Erfolgspsychologie gesetzt wird, statt auf reine Belohnungen.

Warum sollte der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zum Ziel aller Maschinenbauunternehmen werden? Wie können diese davon profitieren?

Smart kombinierte Daten und deren Analyse machen Prozesse schneller und profitabler: Aus Big Data wird so Smart Data. Das ökonomische Potenzial von Data Science mit dem Schwerpunkt auf Maschinellem Lernen ist extrem groß, weshalb wir es zu einem elementaren Bestandteil des Maschinenbaus machen – und auch andere Maschinenbauunternehmen sollten das tun.

Durch die Entwicklung von Modellen zur Datenanalyse, die auf Know-how aus dem Maschinenbau basieren, können digitale Software-Lösungen die Anlagenverfügbarkeit verbessern und führen zu verringerten Ausfallzeiten, gesteigerter Energieeffizienz, längerer Lebensdauer sowie einem optimierten Produktionsergebnis. Unser digitales Angebot kann Anlagen so um ein Vielfaches effizienter und effektiver machen und somit einen größeren Mehrwert für Kunden erzeugen, als es mittels Hardware-Engineering möglich wäre, beispielsweise hinsichtlich des Sustainability-Aspekts.

Warum ist Co-Creation und ein funktionierendes Ökosystems gerade im Bereich der KI so wichtig?

Körbers Leitspruch lautet „stronger together“ – dessen Wahrheitsgehalt zeigt sich ganz besonders im Bereich der KI. Denn gemeinsam finden sich meist die innovativsten Lösungen für weitreichende Herausforderungen, in unserem Fall in der Industrie.

Etwas konkreter: Um mittels KI einen Mehrwert für Kunden zu schaffen, bedarf es eines relevanten Problems, einem Zugang zu echten Daten, Software-Know-how sowie tiefen, relevanten Prozesswissens. Ohne Zugang zu Daten ist es unmöglich Lösungen iterativ zu entwickeln, geschweige denn Kundennutzen zu stiften. Daher ist es eine Voraussetzung, die Lösung gemeinsam mit dem Probleminhaber und Datenbesitzer zu entwickeln. Da es allerdings nur wenige Organisationen gibt, die alle erforderlichen Kompetenzen zur Entwicklung einer KI-Lösung in-house zur Verfügung haben, ist es elementar gut in ein Ökosystem aus Experten eingebunden zu sein. Denn im Ökosystem kann man positive Netzwerkeffekte erzielen, bei denen alle als Gewinner hervorgehen. Durch die Schaffung eines Systems, in dem Wissensaustausch Priorität eingeräumt wird, können alle Akteure von gemeinsam erzielten Fortschritten profitieren.

Es wird immer mehr Wert auf die Verminderung von CO2-Ausstoß von Unternehmen und auf Corporate Social Responsibility gelegt. Was für eine nachhaltige Lösung bei Produktionsvorgängen mit Hilfe von KI bietet Ihr Produkt an?

Unsere digitalen Lösungen steigern die Effizienz von bestehenden Maschinenanlagen und machen so ressourcenaufwendige Neuanschaffungen von Maschinen hinfällig und reduzieren ebenfalls den Einsatz von Ressourcen pro erzeugter Produkteinheit. Außerdem wird dadurch signifikant der Ausschuss des Rohmaterials und Endprodukts verringert.

Als Company Builder arbeiten Sie mit vielen Unternehmen und Startups zusammen. Welchen Rat würden Sie jungen Gründer*innen geben, die im Bereich der KI gründen wollen?

Gründerinnen und Gründer sollten sich nicht auf die Technologie, sondern auf die Wertgenerierung fokussieren. Technologie ist nur ein Mittel zum Zweck, um für Kunden einen Mehrwert zu erzeugen. Außerdem ist es im KI-Bereich wichtig früh Partner zur finden, um durch Zugang zu deren Daten ein Produkt zu bauen. Allerdings sollte man beim Co-Development-Partner nicht direkt den Fokus auf die maximal wertabschöpfende, schnelle Kommerzialisierung der Lösung legen. Stattdessen muss man einen Win-Win erzeugen.

Welche Ziele setzt sich Ihr Unternehmen im Hinblick auf die Zukunft?

Aktuell ist in der Fertigungsindustrie ein starker Trend von „Hardware first, Software as add-on“ hin zu „Software first, AI as add-on“ zu beobachten. Und Prognosen zufolge werden die Produktions- und Lieferketten schon ab 2025 vollständig vernetzt sein und sich selbst optimieren. Daher liegt unser Fokus bereits heute auf der Nutzung von Daten, Cloud und KI, um datenzentrierte Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die einen signifikanten Einfluss auf unsere Kunden haben. Dabei verfolgen wir eine klare Vision: Wir wollen die Nummer 1 auf dem Markt werden – für KI in Fertigung und Supply Chain. Darüber hinaus unterstützten wir den internationalen Technologiekonzern Körber AG bei der digitalen Transformation mit dem Ziel, bereits 2024 ein Drittel des Umsatzes über digitale Lösungen auf Konzernebene zu erwirtschaften.

Warum ist Berlin der ideale Ort für Entwicklungen im Bereich der KI? Wie wird sich die Szene Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren entwickeln?

Deutschland ist im Bereich der KI generell bestens aufgestellt und hat mit seinen Hidden Champions die idealen Startbedingungen. Berlin im Speziellen gilt schon lange als Startup Hotspot und verfügt über Europas größtes digitales Ökosystem mit großem Talentpool – das gilt besonders für die Technologiebranche. Die Metropole zieht junge, hochqualifizierte Menschen aus aller Welt an. Somit ist es das ideale Umfeld, um Unternehmen zu gründen und zu skalieren, sowie Innovationen voranzutreiben.