Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) im Herzen Berlins ist von immenser Bedeutung, wenn es darum geht, den sich entwickelnden Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) und digitaler Innovation zu steuern. Wie können wir das Potenzial von KI am besten nutzen, um die nationale Sicherheit zu stärken und moderne Innovationen für die Verteidigungsfähigkeit einzusetzen? Diese Frage untermauert den Zweck des Hubs, der sich unter anderem auf KI-getriebene Innovationen konzentriert. Die zentrale Lage Berlins erleichtert die Zusammenarbeit mit hochrangigen akademischen Einrichtungen, Technologie-Startups und Regierungsbehörden und schafft ein lebendiges Ökosystem für KI-Forschung und -Entwicklung. Dieses strategische Zentrum ist bestrebt, KI-Technologien voranzutreiben, die die Fähigkeiten der Bundeswehr stärken und proaktive Verteidigungsmaßnahmen und fundierte Entscheidungen ermöglichen. Durch die Zusammenführung von KI-Expertise und militärischen Anwendungen erhöht das Hub nicht nur die nationale Sicherheit, sondern trägt auch dazu bei, Deutschland als führendes Land im Bereich der KI-gestützten Innovation auf der globalen Bühne zu positionieren. Für detaillierte Einblicke führten wir ein Interview mit OLt. Dr. Yorck Hesselbarth, AI Lead und Senior Manager für Innovation im CIHBw.
Was ist die Aufgabe des Cyber Innovation Hubs?
Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) ist der Do-Tank der deutschen Streitkräfte und die erste digitale Innovationseinheit eines deutschen Ministeriums. Er wurde im März 2017 gegründet, um als „schnelles Beiboot“ die digitale Transformation der Bundeswehr zu unterstützen und als Schnittstelle zwischen Bundeswehr und Startup-Ökosystem zu fungieren. Die Vision des CIHBw „Empowering Innovation in Defence“ hat vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine nochmal eine neue Dringlichkeit bekommen.
Gab es Vorbilder für den Hub?
Ja, die gab es. Die Hub-Vorbilder waren Innovationseinheiten der Privatwirtschaft, der israelischen und der US-Streitkräfte. Der Cyber Innovation Hub ist die erste militärische digitale Innovationseinheit in Europa und inzwischen selbst Vorbild geworden – nämlich für vergleichbare Einheiten in weiteren deutschen Bundesministerien und Behörden. Zum Beispiel für den Health Innovation Hub des Bundesministeriums für Gesundheit.
Könnten Sie uns einige Beispiele für Technologien oder Lösungen nennen, die dank der Aktivitäten des Cyber Innovation Hubs entwickelt oder vorangetrieben wurden?
Da gibt es einige, wir sind derzeit bei insgesamt über 160 Projekten und Innovationsvorhaben, die seit Bestehen des Hubs angestoßen wurden. Wir haben zum Beispiel derzeit ein Innovationsvorhaben im Bereich Propagandaabwehr und Bekämpfung von Desinformation. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz werden frei verfügbare Informationen wie Text, Bild und Video erfasst und ausgewertet. So werden militärische Lagebilder für Auslandseinsätze, ein wichtiger Bestandteil für die Entscheidungsfindung vor Ort, deutlich angereichert und verbessert. Nicht erst seitdem Russland in der Ukraine einmarschiert ist, ist das ein sehr relevantes Thema. In einem anderen Vorhaben wurden größere interne Datenmengen mithilfe von Sprachmodellen ausgewertet und somit für Soldaten schnell und einfach nutzbar gemacht. Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie wir mit technologiebasierten Startups, die gute Lösungen anbieten, zusammenarbeiten und sie im Bundeswehrkontext zur Anwendung bringen.
Welche Entwicklungen und Anwendungsszenarien finden Sie im Technologiefeld KI zurzeit am spannendsten?
Aus meiner Sicht werden wir in der kommenden Zeit natürlich einiges im Bereich der Sprachmodelle erleben. Die Entwicklungen hier sind so rasant und enorm, dass man kaum inhaltlich mithalten kann. Vor allem die Individualisierung der Basismodelle auf einzelne Unternehmen oder Organisationen wird sicherlich spannend. Wir reden dann von einem Werkzeug, was durch allgemein verfügbares Weltwissen und spezifisches Wissen aus einer Industrie oder einer Organisation letztlich auch komplexe Fragestellungen begründet beantworten kann. Es wird auch hier noch immer ein waches Auge von Menschen benötigen, um die Antworten zu kontextualisieren, aber die Entwicklung wird sicherlich einiges verbessern. Das bringt mich zu einem zweiten Punkt: Derzeit sehe ich viele Modelle, die vor allem in einer Disziplin unterwegs sind, zum Beispiel Sprache oder Bilder. Technologie mit multimodalen Ansätzen wie Sprache, Bildern oder auch Sensordaten werden aber immer besser. Letztlich geht es ja darum, über KI-basierte Ansätze die Welt zu verstehen. Und Menschen verstehen Dinge auch besser, wenn sie gleichzeitig sehen und hören können. Interessant wird auch in Zukunft der Bereich Bildung und Ausbildung sein, hier vor allem Human-Computer-Interaction. Vor allem in Verbindung mit Augmented Reality und Computer Vision ist derzeit schon einiges in der Industrie möglich, was auch im öffentlichen Sektor interessant sein kann. Das kann von virtuellen Assistenten bis zu smarten Brillen im Grunde alles sein. Ich glaube aber auch, dass die Entwicklerinnen und Entwickler noch einiges an Arbeit in Aspekte wie der Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit von Modellen stecken müssen. Denn am Ende kommt es darauf an, inwiefern Menschen auf den Output welcher Art auch immer vertrauen können.
Warum wurde der Cyber Innovation Hub in Berlin angesiedelt?
Ich glaube, es gibt viele Gründe, die für Berlin als Standort sprechen. Im Innovationsbereich ist der Ökosystemansatz sehr vielversprechend, in dem verschiedene Akteure aus zum Beispiel Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu einem Thema zusammengebracht werden. Gerade der Bereich der Künstlichen Intelligenz profitiert stark davon. Es ist letztlich wie ein Teamsport, in der jede Disziplin ihre Berechtigung hat. Speziell mit dem starken Bezug zur Bundeswehr ist Berlin natürlich auch als politisches Zentrum relevant, denn hier sitzen neben vielen Startups auch wichtige politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger. Erst kürzlich gab es ein größeres Event im Rahmen des Projekts „Zeitenwende on tour“ der Münchner Sicherheitskonferenz, das im Cyber Innovation Hub stattgefunden hat.
Wie sehen Sie Ihre Rolle im KI- und Tech-Ökosystem der Hauptstadtregion?
Aus meiner Sicht sind wir das Bindeglied zwischen den umtriebigen Startups mit ihren interessanten Lösungen und der Bundeswehr als wichtigem Teil einer modernen Demokratie. Im Cyber Innovation Hub trifft die Startup-Welt auf die öffentliche Verwaltung mit all ihren Möglichkeiten und Herausforderungen. Hier möchten wir Ideen umsetzen und nicht nur theoretisch darüber nachdenken.
Für Startups ist der Verteidigungssektor mit seinen hohen technologischen Anforderungen, langen Entwicklungszyklen und teilweise undurchsichtigen Prozessen in der Vergangenheit nicht immer attraktiv gewesen. Das ändert sich gerade stark, denn auch im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine geht es mehr denn je um digitale Innovationen, technologische Resilienz und einen modernen Staat. Damit bieten wir eine konkrete Anlaufstelle mit unterschiedlicher Expertise zu allen möglichen Technologien, aber auch unkonventionelleren Ansätzen wie Intrapreneurship. Speziell im Bereich der KI gibt es zahlreiche Anwendungsfälle und das Potential ist enorm. Ich glaube, der Hub leistet hier als Vernetzer, Sparringspartner und Ermöglicher einen wichtigen Beitrag, die verschiedenen Welten miteinander zu vereinen und sich auf die Gemeinsamkeiten statt auf die Unterschiede zu konzentrieren. Denn am Ende profitiert jeder davon.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns dieses aufschlussreiche Interview zu geben.