Das Thema Klimaschutz durchdringt heutzutage praktisch alle Bereiche des täglichen Lebens. Die Art und Weise, was und wie wir konsumieren, nimmt für viele Menschen einen immensen Stellenwert ein, daher ist es für viele Unternehmen wichtiger denn je, wie ihre Produkte die Endkonsument*innen erreichen. Diese Nische hat das Berliner Startup Digimind erkannt, denn sie haben eine KI-unterstützte Plattform entwickelt, die Produzent*innen im Co-Creation-Verfahren dabei hilft, ihre Verpackungen nachhaltiger zu gestalten und so Material und CO2 einzusparen. #ki_berlin hat mit Gründerin und CEO Dr. Katharina Eissing über den Ursprung ihrer Idee, den Zuspruch aus der Industrie und das KI- und Deep-Tech-Ökosystem der Hauptstadt gesprochen.
Hallo Frau Dr. Eissing, Ihr Unternehmen nutzt KI auf eine sehr smarte Weise, nämlich um Verpackungen anderer Kund*innen nachhaltig zu gestalten. Woher kam die Idee Nachhaltigkeit und KI zu verbinden?
Ich danke Ihnen für die Frage. Der Klimawandel ist die größte Bedrohung für die Menschheit mit potenziell dramatischen Folgen, und es liegt in unser aller Verantwortung, an einer ganzheitlichen Lösung mitzuwirken. Seit vielen Jahren setze ich mich für eine plastikfreie Welt ein. Mit zunehmender Einsicht und Erfahrung habe ich gelernt, dass Plastik nicht verschwinden wird und dass ein Vorstoß in Richtung Kreislaufwirtschaft für Plastikverpackungen die Lösung ist. An diesem Punkt habe ich verstanden, dass die Nutzung von fortschrittlichem Maschinellem Lernen der Industrie helfen könnte, zirkuläre Verpackungen zu entwerfen und zu entwickeln. Als ausgebildete Quantenphysikerin habe ich dann nicht gezögert, die Gelegenheit zu ergreifen und zusammen mit meinem Mitgründer Digimind zu gründen, um diese Technologie in die Branche zu bringen.
Mittlerweile hat Digimind vier Produkte auf den Markt gebracht. Wie sah der Weg bis zum endgültigen Ergebnis aus?
Wir haben von Anfang an eng mit der Verpackungsindustrie zusammengearbeitet. Wir haben viel von unseren Kunden gelernt und versucht, ihre Probleme zu erkennen und für diese intelligente Softwarelösungen zu entwickeln. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, und wir sind sehr dankbar für das kollaborative und offene Mindset der Branche mit neuen Ideen von Technologieunternehmen zu arbeiten. Die gute Nachricht ist, dass unsere SaaS-Plattform wächst und wir ständig neue Lösungen auf der Grundlage der Anforderungen unserer Kunden entwickeln. Der Weg zu diesen Ergebnissen lässt sich aus meiner Sicht in einem Begriff zusammenfassen: „Co-Creation“.
Wie können sich potenzielle Kund*innen die Funktion Ihrer Lösung vorstellen?
Unsere CirNet SaaS-Plattform ist eine offene Cloud-Architektur, auf der alle Akteure der Kunststoffverpackungsindustrie Lösungen für ihre Fragen oder Probleme finden können. Es handelt sich dabei um eine offene Plattform für Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Hauptakteure der Kunststoffverpackungsindustrie können davon profitieren: Markeninhaber, Verarbeiter, Designer, Maschinenbauer und schließlich Materiallieferanten.
Unsere Nutzer reichen von Einkaufsmanagern, über Nachhaltigkeitsmanager und Verpackungsdesigner bis hin zu Verpackungsingenieuren.
Nehmen wir zum Beispiel einen Einkaufsmanager, der nach Möglichkeiten sucht, die Kosten für die Verpackung zu senken. Mit unserer Lightweight-Anwendung könnte er in wenigen Minuten das Einsparpotenzial ermitteln. Anschließend kann er die Ergebnisse an seinen Konstruktions- oder Produktmanager weitergeben, der mit Hilfe unseres Designberaters in wenigen Minuten die Verpackungen konstruieren und sicherstellen kann, dass sie den Spezifikationen entsprechen. Unsere Anwendung kann dem Produktmanager der Verpackung auch dabei helfen, die nachhaltigsten Materialien und Lieferanten zu finden und schließlich den richtigen Hersteller zu identifizieren, bei dem diese neue, vollständig kreislauffähige Verpackung hergestellt werden kann.
Das Ziel unserer Plattform ist es, sicherzustellen, dass alle Hindernisse auf dem Weg zur Kreislauffähigkeit von Verpackungen auf kollaborative Weise angegangen werden, unter Verwendung von KI und durch Design.
Was hat sich seit der Gründung Digiminds innerhalb des Unternehmens getan? Wie nahm man Ihr Konzept auf?
Seit unserer Gründung im Jahr 2020 hat sich viel getan. Wir generieren eine beträchtliche Menge an Traktion, wir bedienen einige der größten FMCGs der Welt. Wir haben unser Team vergrößert und suchen immer noch nach Top-Talenten, die sich uns anschließen möchten. Wir wurden von der EU mit dem WomanTech Award ausgezeichnet, der uns helfen wird, unser Angebot zu erweitern. Wir haben uns mit der Industrie in Deutschland zusammengetan und uns für einen großen 3-Jahres-Aufruf des BMBF beworben, um die Nachhaltigkeit von Kunststoffen mit Hilfe von KI voranzutreiben, die den Kern unseres Angebots bildet. Wir sind dabei, eine langfristige Partnerschaft mit dem Fraunhofer-Institut aufzubauen, um mittelständische Unternehmen bei der nachhaltigen Transformation zu unterstützen. Ich denke, dass die Industrie unsere Lösung in weniger als zwei Jahren gut angenommen hat und wir einen ermutigenden „product market fit“ erreicht haben.
Seit neustem besteht die Partnerschaft mit Navasto, ein Unternehmen, dass das Fachwissen und die Erfahrung von Ingenieur*innen, Forscher*innen und Softwareentwickler*innen vereint. Was waren die Beweggründe für die Zusammenarbeit? Gibt es bereits konkrete Pläne für neue Produkte?
Navasto ist ein führendes Unternehmen, wenn es darum geht, die Leistung der beschleunigten KI für die Technik zu nutzen. Dr. Bauer und ich teilen die gleiche Ansicht darüber, wie KI zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen wird. Unsere Teams arbeiten intensiv zusammen, und ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass unsere Produkte bereits integriert sind und den Kunden dabei helfen, kreislauffähigere Verpackungen zu entwerfen.
Wie stehen Sie zum Berliner KI-Ökosystem, besonders in Hinblick auf Ihr eigenes Projekt?
Wir glauben wirklich an das Ökosystem. Berlin ist die beste Stadt in Europa, wenn es um Deeptech und KI-Startups geht. Wir profitieren sehr von dieser Dynamik, die Zusammenarbeit mit Navasto ist der Beweis dafür. Digimind ist ein aktives Mitglied des KI-Bundesverbandes GreenTech Alliance, und wir planen, in diesem Ökosystem sehr aktiv zu sein und uns lokal in Berlin mit anderen KI-Unternehmen zu vernetzen. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, wie wichtig die Rolle von Berlin Partner ist, die dies möglich gemacht haben, und ich möchte ihnen hiermit auch herzlich danken.
Wie sieht es mit dem Status Quo und der Förderung von Gründer*innen im Deep-Tech-Bereich aus? Vor Kurzem wurden Sie mit Digimind und 1000 Kelvin, bei dem Sie als CTO involviert sind, für den #WomenTechEU-Call ausgewählt. Wie kam es dazu und was bedeutet dies für Sie?
Wir sind stolz darauf, dass unsere Startups mit dieser prestigeträchtigen Anerkennung doppelt ausgezeichnet wurden. Ich persönlich glaube, dass die EU einen großartigen Job macht, indem sie erkennt, dass es ein Problem gibt, wenn es um die Vertretung von Frauen in Technologie-Startups geht. Inzwischen müssen wir ehrlich sein und die richtige Einschätzung vornehmen: Heutzutage ist es für Frauen und Minderheiten in Europa und speziell in Deutschland nicht einfach, ein Technologieunternehmen zu gründen. So haben beispielsweise Gründerinnen in Zentral- und Osteuropa im Jahr 2021 weniger als ein Prozent des verfügbaren Kapitals aufgebracht.
Wo sehen Sie Digimind in der Zukunft? Welche Produkte und Entwicklungen sind noch zu erwarten?
Wir stehen erst am Anfang unserer Reise und unser ultimatives Ziel ist es, die globale Plattform zu werden, die nachhaltige Verpackungen als Dienstleistung ermöglicht und Digimind von einem Bootstrap-Tech-Startup zu einem wichtigen globalen Akteur in dieser Branche zu machen. Nach zwei Jahren erfolgreicher Bootstrapping-Phase haben wir kürzlich begonnen unsere Strategie für die nächste Wachstumsphase auszuführen.