Was bringt Siri, Alexa oder Google Assistance dazu, Fragen zu beantworten oder Aufgaben zu lösen? Antwort: Künstliche Intelligenz (KI). Wer sich in der digitalen Welt umschaut, trifft auf sie. KI ist ein Trendthema. Es gibt kaum Magazine, Tageszeitungen oder Wissenschaftssendungen, die sich in jüngster Zeit nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben. KI fasziniert, wird aber auch gefürchtet.
So ganz neu ist die Künstliche Intelligenz dabei gar nicht, vielmehr erlebt KI nach Jahrzehnten der ersten Erwähnung eine Art Renaissance. KI beschäftigt die Menschen seit Beginn des elektronischen Rechnens. Der britische Informatiker Alan Turing, einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung, fragte bereits 1950, ob Maschinen in der Lage sind zu denken. Das Wissenschaftsfeld der KI erlebte in den folgenden Jahrzehnten Aufs und Abs. In den 1990er-Jahren konzentrierten sich die Wissenschaftler verstärkt darauf, KI für reale Probleme einzusetzen. Als Meilenstein der KI-Forschung gilt der Sieg von IBMs Schachcomputer „Deep Blue“ über Weltmeister Garri Kasparov im Jahr 1997. Nebenbei, heute würde wohl jede Schach-App auf einem Smartphone „Deep Blue“ seine Grenzen klarmachen. Das zeigt, wie weit die Technik mittlerweile fortgeschritten ist. Und woher rühren diese Welle des Fortschritts und gleichzeitig die Popularität der Künstlichen Intelligenz? Einerseits begünstigen riesige Datenmengen (das globale Datenvolumen wächst um mehr als 50 Prozent pro Jahr) die Entwicklung, daneben spielen die rasant steigenden Rechenleistungen und -kapazitäten von Computern und die klar verbesserten maschinellen Lernansätze und Algorithmen eine wesentliche Rolle.
Das Thema KI beschäftigt die Menschen zwar seit Jahrzehnten, eine eindeutige oder universell akzeptierte Definition gibt es bis jetzt aber noch nicht. Als Pionier der KI kann jedoch der amerikanische Mathematiker Marvin Minsky bezeichnet werden. Er war Mitbegründer der 1956 neu geschaffenen wissenschaftlichen Disziplin „Artificial Intelligence“ (AI). „Artificial Intelligence is the science of making machines do things that would require intelligence if done by men.” Was das menschliche Gehirn leistet, so Minskys Überzeugung, ist nicht übernatürlich. Deshalb muss es möglich sein, diese Leistungen auch Maschinen beizubringen.
„Eine allgemeingültige Definition für Künstliche Intelligenz gibt es nicht“, sagt Claudia Pohlink von der Deutschen Telekom, Telekom Innovation Laboratories, Leiterin der Abteilung Künstliche Intelligenz/Maschinelles Lernen in Berlin. „Wir definieren KI für uns folgendermaßen: Ziel der Forschung zur Künstlichen Intelligenz ist es, mithilfe der Wissenschaft intelligentes Verhalten in Maschinen zu ermöglichen. Dabei ist uns wichtig zu betonen, dass KI Menschen in ihrem Alltag unterstützen und nicht ersetzen soll. Künstliche Intelligenz ist ein sehr komplexer Begriff. Oft ist damit ein Teilbereich gemeint, Machine Learning. Und einfach erklärt ist Machine Learning eine Methode, mit der große Mengen an Daten analysiert werden und aus ihnen verschiedenes Wissen ‚künstlich‘ generiert und gelernt wird“, erklärt Pohlink. „Es werden zum Beispiel Gruppen gebildet, Bilder erkannt oder Muster identifiziert. Eine KI ist zum Beispiel in der Lage, nach einem Lernprozess auf Fotos Katzen von Hunden zu unterscheiden. Deep Learning ist eine Spezialform von Machine Learning, eine Art tiefer greifender Lernprozess, der sich auf große Datenmengen bezieht und neuronale Netze benutzt.“
Die neuronalen Netze sind dem menschlichen Gehirn nachempfunden und besitzen künstliche Neuronen. Diese sind in Schichten aufgebaut und miteinander vernetzt. Je mehr Schichten und Neuronen vorhanden sind, desto komplexere Sachverhalte lassen sich abbilden. „Ähnlich wie das menschliche Gehirn muss eine KI ständig neue Aufgaben lösen oder auf veränderte Gegebenheiten eingehen, hierfür werden durchgehend neue Informationen (Daten) benötigt, um Modelle genauer zu trainieren und alternative Lösungsvorschläge zu entwickeln“, fasst Pohlink zusammen. „Eine KI versucht also stetig, sich selbst zu verbessern und ihre Treffergenauigkeit bezogen auf Antworten zu erhöhen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Gesichtserkennung, umso mehr verschiedene Bilder ein neuronales Netz von einem bestimmten Gesicht als Lernbasis bekommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dieses Gesicht später aus einer Masse anderer Gesichter herauszufiltern.“
Kurz: Die Lernfähigkeit einer KI hängt stark von der Qualität und Quantität der ihr zur Verfügung gestellten Daten ab. Das heißt, eine KI wird lernfähiger und intelligenter, wenn sie viele und qualitativ hochwertige Daten bekommt und lückenhafte oder fehlerhafte Daten zu teilweise ungenügenden Ergebnissen führen. Algorithmische Vorurteile entstehen dann, die sogenannten Bias. „Die Gefahr entsteht, dass die Daten voreingenommen sind“, gibt Claudia Pohlink zu bedenken. „Hier gibt es viele Beispiele aus der Realität. Amazon beispielsweise hat versucht, Lebensläufe mithilfe von KI zu verarbeiten und sich empfehlen zu lassen, welcher Kandidat am besten geeignet ist. Sie haben das Experiment abgebrochen, da ihnen die KI vorrangig männliche Kandidaten vorgeschlagen hat.“
Künstliche Intelligenz ist längst nicht mehr nur Zukunft, sondern bereits Alltag. Das belegt eine aktuelle Studie der amerikanischen Softwarefirma Pega („Was Verbraucher wirklich über KI denken: eine globale Studie/2019/01“). Sie hat 6000 Menschen weltweit befragt, ob sie ein Gerät mit Künstlicher Intelligenz nutzen. Das Ergebnis brachte ein ambivalentes Verhältnis der Verbraucher zu KI zutage: 84 Prozent der Befragten nutzen KI (auf Grundlage bestimmter Geräte oder Services mit KI-Komponenten) wie einen virtuellen Heimassistenten, intelligente Chat-Bots oder vorausschauende Produktempfehlungen), aber nur einer von drei Befragten war sich dessen auch bewusst. Und nur jeder zweite Studienteilnehmer wusste, dass KI-Lösungen Maschinen ermöglichen, neue Dinge zu lernen. Dass KI auch Probleme lösen oder Sprache verstehen kann, war noch weniger Befragten bekannt. Eben diese Fähigkeiten sind aber die Grundmerkmale von Künstlicher Intelligenz.
Im digitalen Alltag ist die KI nicht mehr wegzudenken: Gerade auf Smartphones gibt es zahlreiche Apps und Funktionen, die mit intelligenten Computerprogrammen arbeiten. So nutzen die neuesten iPhones mittlerweile Gesichtserkennungen. Um das schnelle Entsperren des iPhone XS zu ermöglichen, hat sich Apple die Face- ID-Technik einfallen lassen: Beim Scannen des Gesichts projiziert die Kamera mithilfe eines Punktprojektors 30.000 Bildpunkte auf das Gesicht des Nutzers. Die Punkte dienen sozusagen als Karte für die Erstellung des digitalen Musters. Auch eine neue Brille oder ein Bart bringen das iPhone nicht aus dem Konzept. Denn durch maschinelles Lernen verbessert sich die Erkennungsfunktion fortlaufend. Facebook und andere Apps nutzen Künstliche Intelligenz, um sich möglichst gut an die Interessen ihrer Nutzer anzupassen. Wer sich fragt, warum einem immer die Beiträge der besten Freunde angezeigt werden: Dahinter steckt KI. Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich für KI sind die bereits erwähnten Chat-Bots. Diese Computerprogramme „unterhalten“ sich mit dem Nutzer und beantworten Fragen. Dabei greifen sie auf große Datenbanken zurück, die ihnen ermöglichen, Fragen zu verstehen und passende Antworten zu finden.
Die Pega-Umfrage zeigt zudem, dass 70 Prozent der Befragten Künstliche Intelligenz auf die eine oder andere Art beunruhigend finden. Ein Viertel von ihnen fürchtet gar, dass Maschinen eines Tages die Weltherrschaft übernehmen könnten. Diese Ängste der Verbraucher sollten Unternehmen ernst und zum Anlass nehmen, die Vorteile von KI dem Verbraucher verständlich näherzubringen.
Die wichtigsten Ansatzpunkte sind Aufklärung und Transparenz. Es sei notwendig, betont Claudia Pohlink, den Nutzern im Vorfeld mitzuteilen, was mit ihren Daten passiert, welches Wissen eine KI auf Basis gesammelter Daten über einen Nutzer erlangen kann und wofür dieses Wissen am Ende eingesetzt wird. Zum aktuellen Zeitpunkt sei KI allerdings nur sehr zweckbezogen einsetzbar, daher sei es leichter zu überschauen, wozu KI in der Lage sei.
Die Einsatzbereiche von KI-Systemen sind mittlerweile immens: In der Medizin, der Telekommunikation, bei Banken, Versicherungen, Finanz- und Rechtsberatungen, in der Automobilbranche, bei der Öffentlichen Verwaltung – die Aufzählung ist nicht abschließend: In all den Bereichen hat KI längst Einzug gehalten. Dennoch existiert ihr gegenüber Unbehagen. „Jede neue Technologie hat ihre Schattenseiten, Stephen Hawking dachte, dass KI das schlimmste Ereignis der Menschheit werden könnte, und auch Tesla-Chef Elon Musk steht dem Thema kritisch gegenüber“, Pohlink ist sich bestehender Ängste bewusst. „Ich sehe es als unsere Pflicht an, bereits bei der Entwicklung von KI Wert darauf zu legen, dass gewisse ethische Grundsätze eingehalten werden.“ So hat die Deutsche Telekom – wie andere Unternehmen auch – einen Kodex für den Umgang mit KI entwickelt. Der Leitsatz: KI-Systeme sollen immer dem für Menschen geltenden Recht und Gesetz folgen.
Die Weiterentwicklung ist sicher nicht aufhaltbar: Wie können aber Menschen, die mit der Entwicklung nicht vertraut sind, diese besser verstehen? „Das lässt sich wahrscheinlich am einfachsten mit der Einführung des Computers in unseren Alltag vergleichen. Manche Menschen haben sich von dieser Einführung überrollen lassen. Andere haben aktiv Kurse besucht, um diese neuartige Technologie verstehen und bedienen zu können.“ Claudia Pohlink spricht mit Leidenschaft über ihr Fachgebiet, und sie ist überzeugt, dass KI Menschen in ihrem Alltag unterstützen und nicht ersetzen soll. „Das Schöne an KI ist, dass sie für jeden Menschen bedienbar und hilfreich sein sollte, da sie lernt, die Bedürfnisse und Anforderungen der Benutzer zu verstehen. Unerfahrene Benutzer können im Idealfall spielerisch ihre Angst ablegen, indem sie sich einfach auf diese neue Technologie einlassen. KI soll unseren Alltag vereinfachen und deshalb ist zu erwarten, dass auch die Bedienbarkeit immer intuitiver wird.“