Laure Poirson, Projektleiterin AI Grid © Laure Poirson

23 August 2023

"Das AI Grid ist kein elitäres Programm. Es bietet vielen talentierten jungen Köpfen die Möglichkeit, sich mit Forscher*innen auf derselben Wellenlänge zu vernetzen."

AI Grid ist ein europaweites Netzwerk, das engagierte junge Wissenschaftler*innen mit frischen Ideen zusammenbringt, um etablierte Pfade der KI-Forschung zu verlassen. In hochspezialisierten Mikro-Communities arbeiten die Mitglieder gemeinsam an bahnbrechenden KI-Lösungen für gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragestellungen, unterstützt von renommierten Expert*innen. Das Netzwerk fördert den Austausch zwischen jungen Talenten und erfahrenen KI-Expert*innen, wobei es als Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einen besonderen Fokus auf den internationalen und interdisziplinären Wissenstransfer zwischen den jungen Talenten legt. 

Frau Poirson, AI Grid fördert Austausch und Synergien zwischen Nachwuchstalenten und renommierten KI-Expert*innen. Wer kann sich bewerben und welche Ziele verfolgen Sie mit dieser Initiative?
Die Initiative AI Grid stärkt den Austausch und die Synergien zwischen jungen Talenten im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wir ermöglichen Masterstudenten und Doktoranden aus der KI, ihre Forschungsarbeit schneller voranzutreiben und schon früh ein eigenes hochqualifiziertes Expert*innennetzwerk aufzubauen. Das AI Grid schafft dafür die Basis: mit einem maßgeschneiderten Mentoring-Programm, regelmäßigen Netzwerktreffen, internationalen Kooperationen und Science & Innovation Tours in Europa. Außerdem besuchen wir hochinnovative Hubs, initiieren Panel-Talks mit Akteuren aus Wissenschaft und Industrie und vieles mehr für unsere Mitglieder. Junge Forscher*innen bekommen so einen “Fuß in die Tür”, um sich rasch für einen KI-bezogenen Beruf zu qualifizieren. Und im größeren Maßstab gedacht, ist es auch für Deutschland eine großartige Maßnahme, um dem Fachkräftemangel weiter zu begegnen und das Land zu einem führenden Standort in der Künstlichen Intelligenz zu machen.

Und auch das ist wichtig: das AI Grid ist kein elitäres Programm. Vielmehr gibt es vielen klugen, jungen Köpfe die Chance, sich mit Forscher*innen auf derselben Wellenlänge zu vernetzen und gleichzeitig Kontakte zu renommierten Professor*innen und Expert*innen aus der Industrie zu knüpfen.

Um Teil unserer Community zu werden, bewerben sich junge Studierende auf der Website www.ai-grid.org und reichen ihre Forschungsarbeiten, Zukunftspläne und Infos zu ihrer Motivation ein, dem Netzwerk beizutreten. Wir erhalten laufend Bewerbungen von jungen Talenten aus ganz Deutschland.

Seit unserem Start vor sechs Monaten haben wir bereits mehr als 65 talentierte Forscher*innen  ausgewählt. Bis 2025 wollen wir 250 jungen Wissenschaftler*innen einen Karriere-Kick geben. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir dieses Ziel erreichen.

Im AI Grid werden hochspezialisierte Mikro-Fachgemeinschaften gebildet. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus und was kommt am Ende dabei heraus?
Wir bilden KI-Micro Focus Groups zu Themen, die derzeit besonders relevant sind. Dazu gehören Explainable AI, Human Machine Teams und Reinforcement Learning und auch Approach to Computer Vision, Trustworthy AI etc. In diesen hochspezialisierten Teams tauschen sich junge Forscher*innen mit interdisziplinärem Profil über ihre Forschungsarbeiten aus und initiieren Kollaborationsprojekte. Auf unserer Community-Plattform können sie über die sichtbaren Profile aller Mitglieder unkompliziert Gleichgesinnte in ähnlichen Bereichen finden – und dann selbst Gruppen zu relevanten Themen gründen.

Außerdem starten wir schon bald Challenges im „Prompt-a-Thon“-Format. Dabei arbeiten die Mitglieder gemeinsam an einer Problemlösung und setzen generative KI ein. Das Interessante an diesem Format ist, wie schnell es ist. Ein „Prompt-a-Thon“ erstellt auf der Basis von gesammelten Informationen Bilder, Texte, Artikel, Broschüren oder Programmcodes - und zwar direkt und sofort umgesetzt. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Organisationen.

Das AI Grid setzt auf ein maßgeschneidertes Mentoring-Programm mit renommierten KI-Expert*innen, wie Prof. Dr. Elisabeth André, Hans Uszkoreit und Prof. Isao Echizen. Wie läuft das konkret ab und welche Effekte erhoffen Sie sich auf die Entwicklung der teilnehmenden Nachwuchstalente?
Wir sind stolz auf unser hochqualifiziertes Netzwerk von Mentor*innen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Europa und international. Das AI Grid hat Professor:innen von Universitäten in Berkeley, Pennsylvania, Tokio, Israel, der Schweiz und Schweden an Bord. Sie stellen ihre Zeit und ihr Wissen auf freiwilliger Basis zur Verfügung, um jungen Forscher*innen hilfreiche Impulse zu geben. Dies ist eine großartige Chance für den KI-Nachwuchs in Deutschland, Kontakte zu weltbekannten Forschungseinrichtungen zu knüpfen. Sie bekommen Feedback zu ihrer Forschung und gleichzeitig Einblick in Forschungsprogramme im Ausland. Dieses Mentoring ist eine zusätzliche Unterstützung und ein großartiger Karriere-Booster. Es ist ein "On-Demand"-Programm, in dem Mitglieder je nach ihren Bedürfnissen den Support mehrerer Mentor*innen in Anspruch nehmen können. Das gibt viel Flexibilität und erhöht die Synergieeffekte.

Darüber hinaus haben wir auch Entrepreneur-Mentor*innen. Sie begleiten junge Wissenschaftler*innen auf dem Weg zur Gründung. Das Programm verbindet akademische und angewandte Forschung auf ideale Weise.

Neben Mentor*innen aus der Wissenschaft suchen Sie auch nach Mentor*innen aus der Wirtschaft. Was für ein Profil stellen Sie sich hier vor und welche Vorteile haben die Mentor*innen selbst davon?
Das AI Grid will die Lücke schließen, die zwischen Forschung und Wirtschaft immer noch klafft. Deshalb sind wir sehr interessiert an KI-Expert*innen aus der Industrie, die sich im AI Grid engagieren möchten. Deren Profile können unterschiedlich sein, sie sollten aber über anerkannte KI-Expertise verfügen und möglichst promoviert haben, um den akademischen Hintergrund unserer Mitglieder besser verstehen zu können. Für Unternehmen ist das AI Grid natürlich eine großartige Chance, kluge junge Köpfe zu entdecken, die darauf brennen, ihre Forschung in der Praxis umzusetzen.

Eine vielfältige und interdisziplinäre Community liegt uns besonders am Herzen. Das ist es, was den Reichtum eines Netzwerks ausmacht. Deshalb rufen wir gezielt Frauen auf, sich als Mitglieder zu bewerben (derzeit sind es 23%). Ganz klar, wir freuen uns über jede Mentorin, die eine Vorbildrolle einnimmt.

Das Projekt hat auch eine starke europäische Vernetzung zum Ziel. Welches Potential sehen Sie hier für die Zukunft und wie kann das Berliner KI-Ökosystem, als Sitz der Initiative unterstützen und profitieren?
Wir knüpfen wir Verbindungen zu zahlreichen Forschungs- und Innovationseinrichtungen außerhalb Deutschlands. Etwa dreimal im Jahr organisieren wir AI Grid Science & Innovation Tours in ganz Europa, bei denen unsere Mitglieder andere KI-Ökosysteme kennenlernen und sich über mögliche Forschungskooperationen informieren.

Vor Ort treffen wir uns mit Nachwuchsforschern, hochkarätigen Professor*innen und relevanten Stakeholdern, sowie wachsenden Unternehmen und Start-ups. Diese Tours geben unseren Members die Chance, in wenigen Tagen ein umfangreiches Netzwerk aufzubauen, das für ihre zukünftige Karriere von großem Nutzen ist.

Vor kurzem trafen wir führende KI-Akteure in Stockholm und planen gerade die nächsten Treffen in Zürich und Barcelona. Das wird spannend, besonders das Treffen mit KI-Expert*innen von Disney Research in Zürich.

Wir sind bundesweit aktiv und haben unseren Sitz in Berlin. So bleiben wir in engem Kontakt mit relevanten lokalen Akteuren unseres Ökosystems sein und können leichter kooperieren. Besonders freuen wir uns über die Zusammenarbeit mit Berlin Partner, die uns die Türen zum TOA-Festival im vergangenen Juni öffneten. Wir haben einige gemeinsame Pläne für die Zukunft, wollen Veranstaltungen zusammen organisieren und dergleichen. Berlin Partner brachte uns auch mit der katalanischen Vertretung in Berlin zusammen, mit der wir nun die kommende Science Tour in Barcelona an den Start bringen. Es ist so viel effizienter, mit starken Partnern zusammenzuarbeiten!

Sie arbeiten mit renommierten Koryphäen und Nachwuchstalenten zusammen. Was zeichnet die nächste Generation von KI-Expert*innen aus?
Es ist ganz klar: die neue Generation junger KI-Wissenschaftler*innen forscht, um die großen Herausforderungen unserer Gesellschaft zu bewältigen, insbesondere solche, die die Umwelt stark belasten. Wir bewegen uns also auf eine "Grüne KI" zu, d. h. KI-Methoden in Bereichen, die in Sachen Nachhaltigkeit relevant sind. Und das ist eine tolle Sache!

Eine junge Forscherin unserer Community analysiert beispielsweise, wie Gletscher schmelzen, um die Temperaturentwicklung in der Klimakrise genauer vorhersagen zu können.  Ein anderer Wissenschaftler will den Zyklus von Lithiumbatterien für Elektroautos optimieren. Und eine junge Psychologin beschäftigt sich mit der  Vertrauenskrise zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz.

Es mag etwas trivial klingen, aber für mich ist Technologie dann nützlich, wenn sie dazu beiträgt, dass wir besser leben. Sonst ist sie überflüssig. Ganz konkret bedeutet das, dass wir Lösungen entwickeln müssen, um unsere Präventions- und Gesundheitssysteme effizienter zu gestalten, uns leichter und umweltfreundlicher fortzubewegen, ein gleichberechtigtes und leistungsfähiges Bildungs- und Weiterbildungssystem aufzubauen, besser zu wohnen, etc.

Genau dafür brauchen wir all diese jungen Talente!

Vielen Dank, Laure Poirson, für Ihre Zeit!