Lorenz Hufe, Co-founder von BLISS © Privat

08 April 2024

„Eine unserer Hauptaufgaben wird es sein, die Abwanderung lokaler KI-Talente zu verhindern.“

BLISS ist eine studentische Organisation in Berlin, die Gleichgesinnte zusammenbringt, die großes Interesse und Leidenschaft für das Gebiet des Maschinellen Lernens teilen. Bei den wöchentlichen Meetups erhalten Studierende die Möglichkeit, von erfahrenen Forschenden zu lernen, in einer Reading Group die neuesten Paper aus dem Feld der KI zu diskutieren oder an Hackathons und weiteren Workshops teilzunehmen. #ai_berlin hat Lorenz Hufe, einen der Gründer von BLISS, getroffen, um mehr über die Initiative und den umkämpften Markt für Machine-Learning-Talente zu erfahren.

Hallo Herr Hufe. Sie haben mit BLISS eine Machine Learning Community von Studierenden für Studierende aufgebaut, die mit dem „Wir sind TU Berlin“-Preis ausgezeichnet wurde. Wie kam die Initiative zustande und ist sie auch offen für Studierende anderer Berliner Hochschulen?

Es freut uns sehr, die Anerkennung für unser ehrenamtliches Engagement in Form des „Wir sind TU Berlin“-Preises erhalten zu haben. Wir haben BLISS als gemeinnützigen Verein gegründet, um zwei Ziele zu erreichen, die uns auf dem Herzen lagen.

Unsere erste Motivation war der Wunsch, einen Raum in Berlin zu erschaffen, in dem sich alle Menschen, die sich für Künstliche Intelligenz interessieren, austauschen und zusammen lernen können. Zusätzlich ist BLISS eine Initiative, die viele Chancen eröffnet und ihren Mitgliedern, insbesondere Studierenden der Berliner Universitäten und Hochschulen, die Möglichkeit bietet, sich zu engagieren. Für Studierende ist es oft schwierig, ein Netzwerk im Bereich der KI zu etablieren oder eigene Forschung zu betreiben. In den USA zum Beispiel wird viel mehr unternommen, um Studierende diesbezüglich intensiv zu fördern und hier legt BLISS nach.

Unsere Initiative steht allen Studierenden und Early Careers offen und wir planen, unsere Bemühungen zur Integration von Studierenden aller Berliner Hochschulen in diesem Jahr noch weiter zu verstärken.

Austausch und Community Building sind ein wichtiger Bestandteil von BLISS. Welche Event-Formate gibt es und was bieten diese vor allem für junge Studierende?

BLISS hat eine Menge zu bieten. Einerseits setzen wir unsere Vortragsreihe BLISS AI Speaker Series fort, bei der wir in dieser Saison führende Forscher*innen von renommierten Institutionen wie DeepMind, Microsoft, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) sowie der Technischen und der Freien Universität Berlin willkommen heißen. Zudem veranstalten wir regelmäßig Lesekreise, in denen wir uns wöchentlich treffen, um aktuelle Forschungsarbeiten zu lesen und zu diskutieren. Diese Veranstaltungen stehen allen Interessierten offen und sind nicht ausschließlich für Studierende gedacht.

Zusätzlich haben wir ein Programm exklusiv für Studierende. Im Mai richten wir beispielsweise zwei besondere Events aus: Einerseits ein Networking-Treffen für FLINTA*-Personen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, um Vorbilder zu treffen und wichtige Kontakte zu knüpfen. Andererseits veranstalten wir einen Hackathon in enger Kooperation mit Google, der ausschließlich für Studierende zugänglich ist. Dieser Programmierwettbewerb soll den teilnehmenden Studierenden nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern auch wertvolle Kontakte verschaffen und sie in ihrer beruflichen sowie persönlichen Entwicklung unterstützen.

Wie fördert BLISS Unternehmertum und Innovation unter seinen Mitgliedern?

BLISS bietet einen Raum, in dem seine Mitglieder ihren eigenen Visionen nachgehen und Ausdruck verleihen können. Zu sehen, wie aus der Idee einer Vortragsreihe auf einmal ein echtes Programm wird, welches regelmäßig an die hundert Leute in einen Raum bringt, macht Mut, sich mehr zu trauen, vielleicht auch mal eine Firma zu gründen.

Zusätzlich zu dieser inspirierenden Wirkung setzen wir direkte Impulse durch unsere aktive Teilnahme an Hackathons. Beispielsweise haben im letzten Jahr zwei Mitglieder unseres Vereins einen von Google veranstalteten Hackathon gewonnen, bei dem sie sich gegen fast 200 professionelle Entwickler*innen durchsetzen konnten. Diese Erfolge sind nicht nur ein Beweis für das hohe Engagement unserer Mitglieder, sondern dienen auch als Motivation für andere, ähnliche Erfolge anzustreben.

Die Zusammenarbeit mit K.I.E.Z. ist für uns von besonderer Bedeutung, da wir ein gemeinsames Ziel verfolgen: den Wissenstransfer zwischen Forschung und Wirtschaft zu stärken und zu fördern. So veranstalteten wir beispielsweise in Kooperation mit K.I.E.Z. einen eintägigen Hackathon, bei dem die Teilnehmenden Bilddaten eines gestörten Sensors rekonstruieren mussten. Durch diese Zusammenarbeit sind wir in der Lage, einen Rahmen zu schaffen, in dem innovative Ideen entstehen und wachsen können, was letztendlich zur Entwicklung einer dynamischen und resilienten Startup-Landschaft beiträgt.

An der TU Berlin wird die nächste Generation von Fachkräften im Bereich Künstlicher Intelligenz und Machine Learning ausgebildet und über Ihre Events kommen Studierende mit der Wirtschaft in Berührung. Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis bestellt, wo Talente händeringend gesucht werden?

Meiner Meinung nach besteht in diesem Bereich durchaus Verbesserungsbedarf. In Deutschland legen wir großen Wert auf die Freiheit in der Forschung, was absolut gerechtfertigt ist. Allerdings führt die starke Unabhängigkeit der Hochschulen von der Wirtschaft dazu, dass der Zugang der Studierenden zu Unternehmen begrenzt ist, da es nur wenige intensive Kooperationen zwischen diesen beiden Bereichen gibt. Hier bietet BLISS einen signifikanten Vorteil: Wir sind in der Lage, die Interessen der Studierenden unabhängig von unternehmerischen und hochschulpolitischen Einflüssen zu vertreten. Wir ermöglichen unseren Mitgliedern nicht nur den Zugang zu Forschungseinrichtungen, sondern arbeiten auch mit Unternehmen zusammen, die wir als wichtige Partner betrachten. Aus unserer Sicht spielt BLISS eine entscheidende Rolle dabei, eine Brücke zwischen den Belangen der Forschung, der Industrie und den Bedürfnissen der Studierenden zu bilden.

Berlin ist ein Fixpunkt für viele Talente weltweit. Was macht die Stadt und den Standort so attraktiv – auch im Vergleich zu anderen Städten?

Berlin ist kreativ, lebt Inklusion und ist eine Weltmetropole. Hier treffen Menschen und Ideen aufeinander, die sich nirgendwo anders in dieser Art begegnen können. Ich bin überzeugt, dass dies der Grund ist, warum sich das Berliner KI-Ökosystem in den letzten Jahren so hervorragend weiterentwickelt hat. Viele wissen gar nicht, dass Google DeepMind, Microsoft, AI4Science und AWS Research in Berlin forschen!

Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie, die von mehr und mehr Unternehmen, aber auch in der Forschung und öffentlichen Verwaltung entwickelt und eingesetzt wird. Wie sieht es in Ihrer Community aus: Wie möchten sich die Mitglieder am liebsten einbringen? Was motiviert Sie?

Unsere Mitglieder sind von einer hohen Motivation getrieben, echte Probleme mit ihrem Know-how im KI-Bereich zu adressieren. Jedoch stellt es für viele deutsche Unternehmen eine Herausforderung dar, KI zielgerichtet und erfolgreich einzusetzen. Dies führt zu einer gewissen Zurückhaltung in Bezug auf Kooperationen und die Förderung von Studierenden in unserem Spezialgebiet. Das steht in deutlichem Gegensatz zur Behandlung von KI-Talenten in anderen Ländern. BLISS hat bereits mehrfach Unterstützungsangebote von Firmen aus Großbritannien und den USA erhalten, auch wenn diese keinen direkten Standort in Deutschland haben. Demgegenüber wissen viele deutsche Firmen nicht, wie sie die Aufmerksamkeit der BLISS-Mitglieder, beispielsweise durch Praktika, auf sich ziehen können. Dies verdeutlicht, dass in Deutschland noch einiges an Arbeit vor uns liegt. Das motiviert mich weiterhin. Ich bin überzeugt, dass wir in Berlin das gesamte Spektrum der KI abdecken können: von Spitzenforschung über Entrepreneurship bis hin zur Lehre. Eine unserer Hauptaufgaben wird es sein, die Abwanderung lokaler KI-Talente zu verhindern. BLISS nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, indem es frühzeitig Verbindungen zwischen Talenten und dem KI-Ökosystem in Berlin herstellt.

Vielen Dank für das Gespräch.