Europa steht vor einem Wendepunkt: Es ist an der Zeit, dass wir aus der exzellenten Lehre und Spitzenforschung wesentlich mehr gesellschaftlichen Ertrag ziehen. Ein Weg hierfür ist der Transfer über Ausgründung und damit das Befähigen von Talenten als Gründerinnen und Gründer von Startups erfolgreich zu sein.
Die Hauptstadtregion hat hierfür schon einiges vorzuweisen: Das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum (K.I.E.Z.), welches sich längst als Impulsgeber für forschungsgetriebene KI-Startups etabliert hat, verknüpft die Innovationskraft der Berliner Universitäten mit den dynamischen Strukturen der Start-up-Szene. Institutionsübergreifendes Arbeiten und Interdisziplinarität spielen für den Erfolg eine zentrale Rolle.
Mit UNITE werden diese Erfolge in den kommenden Jahren noch weiter ausgebaut. Knapp 30 Wissenschaftsinstitutionen haben sich zusammengetan, um gemeinsam mit Wirtschaft und Gesellschaft einen Unterschied zu machen. Neben dem Zukunftsfeld der Künstlichen Intelligenz, werden Grüne Technologien und Gesundheit - Bereiche, in denen die Region wissenschaftlich besonders stark ist - eine wichtige Rolle spielen. Es geht darum, Gründen als Karriereoption zu positionieren, die beste Unterstützung leicht zugänglich zu machen und die richtigen Rahmenbedingungen für den Erfolg zu schaffen.
Im Interview spricht Laura Möller, Direktorin von K.I.E.Z. und Geschäftsführerin von UNITE, über die strukturellen Umbrüche, die das Berliner Innovationssystem durchläuft, nennt Erfolgsgeschichten und gibt Impulse, wie „AI made in Berlin“ europaweit zum Markenzeichen für exzellente, wissenschaftlich fundierte Startups werden kann.
Frau Möller, mit UNITE bauen Sie derzeit das wohl ambitionierteste Gründungszentrum für wissenschaftsbasierte Startups in Europa auf. Welche Ziele verfolgt UNITE?
Wir wollen die Anzahl der wissenschaftsbasierten Gründungen auf 365 pro Jahr steigern und zunächst einen klaren Fokus auf Health, Greentech und KI legen. Das wird uns aber nur gelingen, wenn wir auch die Entrepreneurship-Ausbildung an den Universitäten und Forschungseinrichtungen vorantreiben. Wir wollen ab 2030 in Berlin-Brandenburg jährlich 50.000 Talente erreichen.
Wir wollen sie für die Arbeit an und in Start-ups begeistern, damit sie den unternehmerischen Weg gehen können – als Alternative zu Industrie und Academia. Dazu braucht es auch Veränderungen in den Curricula aller Studiengänge, um Gründung als Karriereoption und Vehikel für Selbstwirksamkeit zu positionieren. Digitale Angebote, Challenged-based Learning und neueste Peer-to-Peer-Learning-Ansätze werden eine wichtige Rolle spielen, damit wir die Anzahl der Ausgebildeten signifikant skalieren können.
Wir haben auch sehr gute Chancen unsere Ziele zu erreichen, weil wir in der Region über einen hervorragenden Talentpool von über 250.000 Studierenden verfügen. Dazu kommen 30.000 Wissenschaftler:innen, Millionen Alumni und Talente aus der hiesigen Start-up- und Scale-up-Szene.
UNITE versteht sich als Katalysator für forschungsgetriebene Innovationen. Welche konkrete Rolle spielt dabei K.I.E.Z.? Gibt es eine klare Arbeitsteilung oder eher ein ineinandergreifendes Ökosystem?
Das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum (K.I.E.Z.) ist eine wichtige Säule für UNITE. K.I.E.Z. wird von Science & Startups getragen, dem Verbund der Gründungszentren der großen Berliner Universitäten und der Charité Universitätsmedizin. Wir beweisen also bereits seit vier Jahren, was man im Gründungsbereich bewirken kann, wenn sich Forschungseinrichtungen für eine gemeinsame Mission zusammentun. In Zahlen ausgedrückt: gemeinsam haben wir bereits über 120 KI-Startups in unseren Programmen gefördert und unsere Unternehmen konnten bereits mehr als 45 Mio. Euro Wagniskapital erreichen. Für UNITE können wir uns das potenziell für den gesamten Deeptech-Bereich in Berlin und Brandenburg vorstellen. Das Potenzial ist enorm.
Sie sprechen oft von "KI made in Berlin". Welche Vision verfolgen Sie damit – und wie trägt UNITE dazu bei, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen?
KI ist eine globale Aufgabe, und klar ist es gut, wenn Menschen weltweit erfahren, was in der Berliner KI-Szene passiert. Wir bei K.I.E.Z. wollen international vor allem für exzellente wissenschaftsbasierte KI-Startups bekannt sein. Aber das heißt nicht, dass wir uns nur auf Berlin beschränken dürfen. Ich bin der Meinung, dass wir viel mehr Kooperationen mit anderen deutschen und europäischen Ökosystemen brauchen. Deshalb gehen wir auch bereits gemeinsame Wege mit unseren bayrischen KI-Kolleg:innen und suchen regelmäßig den Austausch mit Partnern aus Europa.
K.I.E.Z ist ein Early-Stage-Accelerator mit klarer wissenschaftlicher DNA. Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie ein KI-Spinoff durch das Programm einen echten Skalierungsschub erfahren könnte?
K.I.E.Z. ist viel mehr als nur ein Accelerator. Wir haben Angebote für den gesamten Startup- Lifecycle von Validierung von wissenschaftlichen Ergebnissen in unserem Bridge-to-Market Programm über die Inkubation, die wir in Kooperation mit Gründungszentren von Science & Startups durchführen bis hin zu unserem Accelerator, für den sich KI-Teams bewerben können, die bereits ihr Unternehmen gegründet haben. In unseren Accelerator kommen in der Regel KI-Startups in einer frühen Wachstumsphase, wobei die Wachstumsziele ganz individuell sind. Das hängt stark von der Branche und dem Geschäftsmodell ab. Gerade haben Sifted und die Financial Times die Liste der 100 in 2025 am schnellsten wachsenden Startups in der DACH & CEE-Region veröffentlicht. Mit dabei: Aivy – eines unserer ehemaligen Accelerator-Startups.
Sprechen wir über UNITE: Wie gelingt es Ihnen, akademische Exzellenz, unternehmerischen Mut und technologische Umsetzungskraft unter einem gemeinsamen Dach zusammenzubringen – gerade im oft fragmentierten Berliner Innovationsraum?
UNITE entwickelt mit fast 30 Wissenschaftspartnern, die für über 90% der Studierenden und Forschenden der Region stehen, in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft Berlin- Brandenburg ein in Europa führendes Zentrum für Innovationen und wissenschaftsbasierte Gründungen. Die Anzahl, Diversität und Reputation der Mitwirkenden aus dem Ökosystem sind bislang beispiellos – nicht nur in der Region, sondern in ganz Deutschland.
Diese Partner bringen natürlich auch ihre vielfältigen Sichtweisen auf unser Innovationsökosystem ein und haben deshalb zum Teil unterschiedliche Erwartungen an UNITE. Im Kern geht es jedoch für alle darum, die Anzahl und Qualität wissenschaftsbasierter Gründungen zu steigern und unsere Region nachhaltig voranzubringen. Wir wollen auf der einen Seite die Vielfältigkeit und Freiheit der Forschung erhalten und gleichzeitig Redundanzen und Ineffizienzen auflösen. Deshalb haben wir für UNITE eine Governance-Struktur geschaffen, die viele Stakeholder einbindet und uns gleichzeitig unternehmerisches und agiles Handeln ermöglicht. Hierfür können wir auch ein signifikantes Investment der Partner aktivieren, um zügig voranzukommen.
Ein wichtiger Punkt auf der Agenda von UNITE ist die Förderung von weiblichen Gründerinnen. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Diversität in diesem Sektor zu erhöhen?
Wir werden bei UNITE das erfolgreich etablierte Female Founders Network weiter ausbauen. Auch das EXIST WOMEN-Programm wird in diesem Zuge strategisch angebunden und gestärkt, um die Zahl gründungsinteressierter Wissenschaftlerinnen relevant zu steigern. Darüber hinaus werden wir neue Kooperationen und Maßnahmen im Investment-Bereich vorstellen. Da wird sich in den kommenden Jahren in Berlin und Brandenburg einiges tun.
Grundsätzlich glauben wir, dass in den Bereichen Green Tech und Health das Potenzial Gründerinnen zu aktivieren, besonders hoch ist, da Frauen häufiger in Bereichen mit positiven gesellschaftlichem Impact gründen. Hierfür bietet UNITE eine starke Plattform.
Welche Chancen, aber auch Risiken sehen Sie aktuell für das Berliner KI-Ökosystem – etwa im Hinblick auf internationale Konkurrenz, Fachkräftemangel oder politische Unterstützung?
Das Berliner KI-Ökosystem ist momentan sehr gut aufgestellt. Wir haben mit dem BIFOLD und dem DFKI zwei Flaggschiffe der deutschen KI-Forschung in der Stadt. Dazu kommt ein enormer Talentpool von 250.000 Studierenden und über 30.000 Forschenden an den Universitäten und Hochschulen. Berlin lebt noch von seiner Reputation als führende deutsche Startup-Metropole. Leider haben wir in den letzten Jahren an Boden verloren. Die Standortbedingungen haben sich weiterentwickelt: das Leben hier ist nicht mehr so günstig wie früher. Wohnraum ist knapp, die Visa- und überhaupt bürokratischen Prozesse für junge Gründer:innen sind langsam. Das sind Dinge, die wir bei UNITE gemeinsam mit der Politik und privaten Anbietern angehen werden, da wir einen klaren Fokus und eine starke Stimme haben. Wir denken, dass wir hier in den nächsten Jahren substanzielle Verbesserungen sehen werden.
Ein persönlicher Ausblick: Wenn Sie in fünf Jahren auf UNITE zurückblicken – woran lässt sich messen, dass dieses Projekt ein Erfolg war?
Wir haben dieses Interview mit den Zielen von UNITE begonnen. Die Erreichung dieser Ziele wird ein Gradmesser des Erfolgs sein. Aber auch unsere nationale und internationale Reputation als eines der führenden Deeptech-Ökosysteme weltweit, werden wir dann ausgebaut haben. Genauso wichtig wird sein, dass wir das Geschäftsmodell von UNITE so weit auf- und ausgebaut haben, dass UNITE auf einer stabilen wirtschaftlichen Grundlage mit einer klaren Wachstumsperspektive steht. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass eine strategische Start-up- und Innovationsförderung eine zentrale Säule für die wirtschaftliche Prosperität unserer Hauptstadtregion sein wird.
Vielen Dank für das Gespräch