Holger G. Weiss © German Autolabs

18 Februar 2019

„Beim Thema KI gibt es plötzlich einen Aufschrei, obwohl es jeder fast täglich nutzt.“

Mit der Hand am Handy wird die Autofahrt nicht nur unsicher, sondern kann dem Geldbeutel auch erheblich weh tun: Ganze 398.000 Verstöße gegen das Handyverbot am Lenkrad hat die Polizei 2016 in Deutschland notiert. Damit solche Fälle bald vollends der Vergangenheit angehören, haben die German Autolabs um CEO Holger G. Weiss den ersten digitalen Beifahrer entwickelt. „Chris“ kümmert sich um Kurznachrichten, E-Mails, eingehende Anrufe, Wegbeschreibungen und die passende musikalische Untermalung mithilfe von KI, Gesten- und Stimmsteuerung.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Chris, den Digital-Assistenten für Autofahrer zu entwickeln und welche Aufgaben übernimmt dieser?

Wie so oft, war es ein persönliches Erlebnis, bei dem mir die Idee zu Chris kam. Ich war auf der Autobahn unterwegs und mein Telefon vibrierte ständig wegen neuer Nachrichten. Bei Tempo 120 auf der Autobahn konnte ich natürlich nicht antworten, aber es ärgerte mich nicht nur, das Vibrieren lenkte mich auch vom Autofahren ab. Beruflich war ich zu dem Zeitpunkt seit Jahren im Bereich Connected Car und Tech tätig, daher lag es nah, dass ich mich fragte, warum es für dieses Problem noch keine adäquate Lösung gab. Einen digitalen Beifahrer, der mich kennt, mit dem ich sprechen kann und der aufpasst, dass ich nicht abgelenkt werde. Mit Chris gibt es jetzt einen. Chris liest eingehende Nachrichten sowie Whatsapp vor, hört zu und sendet die Antwort. Autofahrer erhalten mit Chris zudem ein intelligentes Navigationsgerät, das sprachgesteuert immer den besten Weg findet. Chris bietet alle Funktionen wie die Turn-by-Turn-Navigation.

Welche Technologien wurden neben Künstlicher Intelligenz für die Stimm- und Gestensteuerung verwendet?

Neben der KI verwenden wir digitale Audiobearbeitung wie Acoustic Echo Cancellation, Beam Forming und andere Audioverbesserungsfunktionen, um unsere Spracherkennungsfunktionen zu verbessern. Ein gutes Spracherkennungssystem beruht auf einem sauberen und robusten Audioverarbeitungs-Infrastruktur. Wir müssen in der Lage sein, die Musikwiedergabe oder das Rauschen von der Benutzeräußerung zu unterscheiden. Außerdem müssen wir in der Lage sein, die Mikrofone auf die Richtung des Fahrers zu fokussieren, anstatt auf andere Richtungen, wie beispielsweise die der Kinder auf dem Rücksitz.

Beim Gesten-Sensor verwenden wir die Infrarot-Technologie, um Handbewegungen zu erkennen. Eine Handbewegung wird als kontinuierlicher Messfluss erkannt. Diese Messungen müssen interpretiert werden, um zu entscheiden, ob der Benutzer nach Links / Rechts gestrichen hat oder ob er sich nah oder weit bewegt hat, um die Lautstärke einzustellen.

Autonomes Fahren, intelligente Kamera-Systeme, Digitale Beifahrer: Wie sehen Sie die Innovationsbereitschaft in und um die Autobranche speziell im Bereich der Künstlichen Intelligenz?

Das ist eine Entwicklung, der sich kein Hersteller verschließen kann, weil sie in erster Linie von Unternehmen getrieben wird, die ursprünglich nicht aus der Automobilindustrie stammen, sondern aus der Softwareentwicklung. Firmen wie Mobileye oder Waymo sind reine Softwarefirmen, dessen Produkte integriert werden und das Autofahren innerhalb weniger Jahre revolutioniert haben. Da müssen die klassischen Hersteller mitziehen – mit eigenen Entwicklungen oder aber auch mit Kooperationen.

Berlin gilt als Hochburg für Startups in Europa. Wieso ist die Stadt der richtige Standort um ein KI Startup zu gründen?

Berlin wird insbesondere für internationale Tech-Talente immer attraktiver. Die Lebensbedingungen sind um einiges günstiger als im Silicon Valley und auch kulturell hat die Stadt einiges zu bieten. Das zieht Talente an. Auch bei den internationalen Investoren ist Berlin nicht mehr vom Radar zu nehmen. In der Stadt entwickeln sich jede Menge Hubs, Labs und Ökosysteme im Bereich KI, Automotive und IoT, die die Innovationskraft in diesen Bereichen ordentlich vorantreibt.

Viele KI-Projekte haben bereits jetzt einen großen, positiven Einfluss auf unseren Alltag. Welche Herausforderungen, Chancen, aber auch Probleme sehen Sie für die Zukunft von Künstlicher Intelligenz auf europäischer und globaler Ebene?

Ja, und das Verrückte ist, dass wir das Meiste als total selbstverständlich akzeptieren: Wenn in der Suchmaschine Ergebnisse angezeigt werden, die sehr genau auf mich passen, wobei ich nur einen Bruchteil des Suchbegriffes eingegeben habe, oder wenn meine Navigation im Smartphone sich in Abhängigkeit von der Tageszeit und Tag verändert etc. In Europa nennt man das Kind besser nicht beim Namen, denn beim Thema KI gibt es plötzlich einen Aufschrei, obwohl es jeder fast täglich nutzt. Das soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sorge in einigen Fällen auch durchaus berechtigt ist, nämlich dort, wo die Persönlichkeit des Menschen davon direkt betroffen ist. Hier werden wir in den kommenden Jahren sicher viele Anpassungen erleben und auch vorantreiben müssen – und die starten ganz unten, im Wertesystem einer Gesellschaft.

Was ist Ihr Rat an die Innovationstüchtigen, die sich das Ziel gesetzt haben in Berlin ein Start-up zu gründen?

Einfach machen! Das Ziel setzen ist das eine, den ersten Schritt gehen ist das andere. Berlin bietet ein gutes Umfeld, direkt loszulegen.