Die Aufregung im Mai 2018 war groß. Ob Videos einer Sportveranstaltung oder Digitalfotos von belebten Straßenszenen – sind darauf Personen zu erkennen, gelten sie seit dem Inkrafttreten der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als visuelle Daten und sind somit schützenswert. Eine gute Nachricht für Bürger, die sich um ihre Privatsphäre sorgen. Für fast alle, die eine digitale Kamera benutzen, hätte die Regelung hingegen weitreichende negative Auswirkungen, so der Tenor. Für Sport-, Hochzeits-, Presse- oder Street-Fotografen könnte der Privatsphärenschutz sogar das berufliche Aus bedeuten. Und auch Unternehmen anderer Branchen wären betroffen, ist das Sammeln und Verarbeiten von visuellen Daten für viele doch geschäftskritisch.
Neue Gesichtszüge durch Künstliche Intelligenz
Ein Ausweg aus diesem Dilemma ließ nicht auf sich warten: Zeitgleich mit der Einführung der gefürchteten DSGVO veröffentlichte das Berliner Startup „Brighter AI Technologies” eine einzigartige Lösung zur Anonymisierung sämtlicher visueller Daten. „Durch die Verwendung eines Deep-Learning-Algorithmus können wir personenbezogene Daten oder auch Personally Identifiable Information (PII) aus Videos und Fotos entfernen“, erklärt Marian Gläser, Co-Founder und CEO von Brighter AI das Prinzip von „Deep Natural Anonymization“. Mit dem Entfernen allein ist es nicht getan. Die persönlich identifizierbaren Informationen wie Gesichter oder Nummernschilder werden durch künstliche Ersatzdaten, die das System generiert, abgelöst und statt der ursprünglichen PIIs in Bilder sowie Videos eingebaut. Die künstlichen Ersatzdaten sehen zwar realitätsgetreu aus, die kritischen PII fehlen jedoch. Dadurch werden die Daten kompatibel gemäß der DSGVO. „Einmal anonymisierte Daten können frei von den Unternehmen verwendet werden, ohne, dass eine Einwilligung der abgebildeten Personen und auch das Recht auf Vergessenwerden, von Bild- und Filmaufnahme, notwendig ist“, bestätigt Marian Gläser, „wir ermöglichen es Unternehmen, auf unbedenkliche Art und Weise Daten zu sammeln, zu speichern und gemeinsam zu nutzen.“
Mit der Anwendung schlägt Brighter AI gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: So werden durch die Anonymisierung der visuellen Datensätze einerseits die Prinzipien des Datenschutzes respektiert. Darüber hinaus liegen andererseits die personenbezogenen Daten in natürlicher Form vor und sind demnach für künftige Deep-Tech-Anwendungsfälle nicht verloren. Im Gegenteil. Sie sind für Softwareentwicklung, Marketinganalysen oder auch zur Verbesserung von AI-Algorithmen verwendbar. „Eine Lösung gefunden zu haben, in der die Daten für moderne Analytik wie maschinelles Lernen genutzt werden können, die aber dennoch konform sind, ist für uns ein großer Erfolg“, freut sich Gläser und hofft, mit Anonymisierungsansätzen wie diesen zum Fortschreiten von Künstlicher Intelligenz beizutragen.
Von der Nacht zum Tageslicht
Brighter AI, das 2017 als Spin-Off des Autozulieferers „Hella Inkubator“ gegründet wurde, nutzt die innovativen Deep-Learning-Methoden nicht nur zu Anonymisierung von Datensätzen. Schließlich sind Verordnungen zum Privatsphärenschutz und andere gesetzliche Anforderungen bei Weitem nicht die einzigen Faktoren, die die Qualität visueller Daten beeinträchtigt. Nebel, Regen oder andere Wetterkapriolen stören das menschliche Sicht- und Reaktionsvermögen genauso, wie schlechte Beleuchtung oder Dunkelheit. Sie sorgen für erschwerte Sicht- und Witterungsverhältnisse, die selbst die beste Kamera nicht aus dem Weg räumen kann.
Hier kommen erneut die innovativen Deep-Learning-Methoden von Brighter AI ins Spiel, das sich im Oktober bei der „NVIDIA’s GPU Technology Conference (GTC)“ gegen 1.600 andere AI-Innovatoren durchgesetzt hat und zu „Europas heißestem Startup“ im KI-Bereich gekürt wurde: Mittels sogenannter „Perception Layers“, die die visuellen Einschränkungen für Mensch und Maschine beseitigen, sind Marian Gläser und die beiden anderen Mit-Gründer, Chief Marketing Officer Asaf Birnhack sowie Chief Technology Officer Patrick Kern, angetreten, um dieses Grundproblem der menschlichen Sicht zu lösen. Zum Einsatz kommen dabei „Generative Adversarial Networks“ (GANs), bei denen zwei neuronale Netzwerke, ein Generator und ein Diskriminator, miteinander wetteifern und quasi versuchen, die Resultate des anderen zu übertreffen. Während etwa das Generator-Netzwerk aus der Nachtaufnahme einer Infrarotkamera eine wirklichkeitsgetreue Tageslichtversion rekonstruiert, prüft das Diskriminator-Netzwerk laufend, ob es sich dabei um ein echtes oder künstliches Bild handelt. Bis zu sieben neuronale Netzwerke sind derzeit gleichzeitig im System im Einsatz, die so voneinander lernen und die Ergebnisse ständig optimieren.
Sicher dank Deep-Learning-Anwendungen
„Unser System wird bereits in der Sicherheitsbranche eingesetzt“, erzählt Gläser. Die Branche scheint tatsächlich prädestiniert für die Anwendung zu sein, ist doch gerade im Sicherheitsbereich scharfes, eindeutiges Bildmaterial entscheidend: Dunkelheit, Nebel, Smog oder schlechte Beleuchtung können hier massive Auswirkungen etwa auf die Identifizierung von Straftätern haben. Die Cloud-basierte API des 12-köpfigen Teams von Brighter AI hingegen macht die Daten besser verständlich, in weiterer Folge können die schärferen, klareren, kurz – verbesserten – Aufnahmen zu besseren Entscheidungen führen.
„Wir konzentrieren uns derzeit vor allem darauf, in diesem Bereich verschiedene Pilotprojekte erfolgreich durchzuführen“, kennt Marian Gläser das große Potenzial seiner Lösungen, „die Technologie kann perspektivisch aber auch in anderen Anwendungsfällen zum Einsatz kommen, beispielsweise im Automotive-Bereich.“ Denkbar sei etwa, die Perception Layers in digitale Rückspiegel einzubauen und so das rückwärtige Fahrzeugumfeld in der Nacht im Tageslicht erscheinen zu lassen. Auch Funktionen, die kamerabasierte Fahrassistenzsysteme optimieren, können realisiert werden. Neben der Fahrzeugindustrie konzentriert sich Brighter AI, dessen Umsatzwachstum in den nächsten fünf Jahren auf über 70 Millionen Dollar eingeschätzt wird, derzeit auf Lösungen für den Einzelhandel und die Medienindustrie.
Grenzen von aktuellen und kommenden Kameras neu definieren
Brighter AI befindet sich damit erst am Anfang, verfolgt das innovative Berliner Unternehmen doch eine hehre Mission: „die Grenzen von Milliarden von bestehenden und kommenden Kameras neu zu definieren“. Man braucht wohl keine Künstliche Intelligenz oder Deep-Learning-Algorithmen, um zu wissen, dass die Zukunft rosig aussieht.
Hier finden Sie weitere Informationen zu Brighter AI: https://brighter.ai/