Dr. Uirá Souto Melo, ein gebürtiger Brasilianer, promovierte im Bereich der Genetik an der Universität von São Paulo. Im Jahr 2018 zog er nach Berlin, um als Wissenschaftler am Max-Planck-Institut zu arbeiten. Seine Forschung konzentrierte sich hauptsächlich auf das dunkle Genom, die relativ unbekannten langen Abschnitte der nicht-kodierenden DNA. Im Jahr 2024 gründete er zusammen mit Dr. M-Hossein Moeinzadeh das Startup Lucid genomics.
Herr Melo, können Sie uns ein wenig über Ihr Unternehmen erzählen und was Sie genau tun?
Im Grunde gibt es drei Dinge, die für die Existenz von Lucid Genomics zwingend notwendig waren. Der erste Teil ist, dass es neue Technologien gibt, mit denen die DNA in noch nie dagewesenem Umfang sequenziert werden kann. Jetzt können wir die Informationen extrahieren, die uns im dunklen Genom bisher gefehlt haben. Der zweite Teil ist, dass die DNA sehr komplex ist und wir die Hilfe der KI benötigten. Jetzt können wir mit Hilfe von Deep-Learning-Modellen die in der DNS verborgenen Informationen extrahieren und ihnen einen Sinn geben. Und der dritte Teil ist das Wissen über das dunkle Genom: Was genau ist da drin? Welche Art von Informationen können wir extrahieren? Und wie können wir verstehen, warum Menschen bestimmte genetische Krankheiten und Krebserkrankungen entwickeln?
Unsere Expertise in der Kombination dieser drei Dinge – neue Sequenzierungstechnologien, Fortschritte in der künstlichen Intelligenz und das Wissen über das dunkle Genom – ist der Grund, warum wir in der Lage waren, Lucid Genomics aufzubauen.
Der Datenschutz ist ein wichtiges Thema im Bereich der Genomik. Wie schützt Lucid Genomics die Patientendaten und gewährleistet die Einhaltung der Vorschriften?
Bei der Entwicklung unserer Machine-Learning-Tools arbeiten wir mit anonymisierten Daten – wir wissen also nicht, wessen DNA wir untersuchen. In diesem Sinne können alle Informationen, die wir aus der DNA von Personen erhalten, nicht zu ihnen zurückverfolgt werden, was in Übereinstimmung mit der DSGVO und anderen Vorschriften steht. Ein Beispiel dafür ist, dass unser Cloud-Server in Deutschland gehostet wird.
Was hat Sie dazu bewogen, gerade jetzt ein Unternehmen zu gründen? Was hat Ihnen geholfen, das Spin-off zu gründen?
Vor zweieinhalb Jahren – als wir noch mitten in der Coronazeit steckten – habe ich angefangen, mir viele Fragen zu stellen, zum Beispiel, was ich im Leben will und wie meine Zukunft aussehen könnte. Und obwohl ich mir hundertprozentig sicher war, dass mein Leben in der akademischen Welt stattfinden würde, entschied ich, dass ich auch viele andere Fähigkeiten habe, die ich nutzen könnte, um verschiedene Wege einzuschlagen. Einer davon war es, ein Unternehmen aufzubauen.
Es gab zwei Gründe, warum wir uns für die Gründung eines Start-ups entschieden haben. Zum einen ist es sehr wichtig, dass die Technologie, die wir bisher entwickelt haben, schnell entwickelt wurde, da sie sonst von anderen kopiert werden könnte. Zum anderen mussten wir das Team am Max-Planck-Institut motivieren und diese sehr talentierten Computerbiologen davon überzeugen, dass wir etwas Großes aufbauen, das die Welt revolutionieren würde. Wir mussten also schnell auf die Überholspur und in ein unbürokratisches Umfeld kommen – etwas, das man nur in einer Startup-Umgebung finden kann.
Und die Max-Planck-Gesellschaft hat uns von Anfang an sehr geholfen. Sie hat ein Akzelerationsprogramm namens MAX!mize, und wir haben das Glück, daran teilzunehmen. Sie vermittelte uns Mentoren in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, der Genomik und des Gesundheitswesens und stellte uns auch Geld zur Verfügung, um das Team einzustellen und die Technologie zu entwickeln. Wir nehmen auch die Dienste von Berlin Partner in Anspruch, z. B. um einen Kollegen aus dem Ausland umzusiedeln oder um geeignete öffentliche Fördermittel zu finden und zu beantragen.
Gibt es einen Grund, warum Sie Lucid Genomics hier in Berlin gegründet haben und wie schätzen Sie das lokale KI-Ökosystem ein?
Wir waren bereits in Berlin ansässig und sehr gut mit verschiedenen Ressourcen und anderen KI-Start-ups vernetzt. Berlin ist definitiv ein Knotenpunkt für KI-Startups, zum Beispiel ist das erfolgreiche Startup Aignostics der Charité ebenfalls hier in Berlin ansässig. Auch an der Freien Universität Berlin und der Humboldt Universität gibt es viele KI-Experten, mit denen wir in engem Kontakt stehen. Außerdem sind wir jetzt eines von sechs Unternehmen, die Teil von K.I.E.Z. sind - einem KI-Accelerator-Programm, das in Berlin angesiedelt ist. Unserer Erfahrung nach ist Berlin definitiv der beste Ort für KI-Startups in ganz Deutschland.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne für Lucid Genomics aus? Wie trägt Ihre diesjährige Teilnahme am K.I.E.Z. Spring Accelerator zur Entwicklung Ihres Unternehmens bei?
Wir sind sehr froh, Teil des K.I.E.Z.-Programms zu sein, weil es dort eine sehr umfangreiche Mentorenschaft im Bereich KI gibt. Außerdem sind wir auf dem Merantix-Campus untergebracht, was großartig ist.
Was unsere Vision betrifft, so wissen wir, dass es in der DNA viel Wissen gibt, das noch nicht genutzt wird. Wir glauben, dass wir in Zukunft digitale Abdrücke von jedem Menschen erstellen können, indem wir Daten aus der DNA sammeln. Mit diesen Daten und der Hilfe von KI kann man digitale Zwillinge erstellen und damit vorhersagen, wie der Patient auf bestimmte Medikamente ansprechen wird. Und wenn Sie ein bestimmtes Medikament benötigen, kann es auf der Grundlage der Informationen, die wir von Ihrem Genom erhalten haben, maßgeschneidert werden. Dies wird auch die Erfolgsquote klinischer Studien verbessern.
Dieses Portrait wurde zuerst auf healthcapital.de veröffentlicht.