Das Potenzial Künstlicher Intelligenz für das Gesundheitswesen ist vor allem bei der Tumorerkennung und -behandlung ungebrochen groß und ein klares Versprechen an die Zukunft und Möglichkeiten des Bereichs Digital Health. In den vergangenen Jahren wurde dieses von Forschern und KI-Unternehmen mehr und mehr ausgeschöpft, etwa am Standort Berlin-Adlershof: Seit 2014 erforscht hier das Unternehmen Magnosco neue Methoden zur Hautkrebsdiagnostik und hat mit der sogenannten Dermatofluoroskopie eine Lösung entwickelt, die mit hoher Genauigkeit die Diagnose des malignen Melanoms unterstützt und so Ärzten*innen und Patient*innen eine schnelle und schmerzfreie Hilfe bietet. #ai_berlin hat sich mit Geschäftsführer Dr. Sebastian Ahlberg getroffen, um mehr über ihren innovativen Ansatz, dem „next big thing“ ihrer Branche sowie den Sprung über den großen Teich auf den US-Markt zu erfahren.
Hallo Herr Dr. Ahlberg, vielen Dank für Ihre Zeit. Wie kamen Sie persönlich zu Magnosco, was macht das Unternehmen und was macht es so spannend?
Ich danke für die Anfrage und freue mich auf das Gespräch. Während meines Studiums der Biosystemtechnik habe ich als Werkstudent im Uniklinikum am Zweiphotonenmikroskop an der Visualisierung von Hautkrebs gearbeitet. Durch diesen Job kam ich dann nach Berlin zur W.O.M. World of Medicine, um als Praktikant und Diplomand ein Gerät zur Hautkrebsdiagnostik und -therapie zu entwickeln. Anschließend ging ich an die Charité Berlin, um in der Experimentellen Dermatologie zu promovieren, bevor ich in die Industrie wechselte. Medneo als Anbieter für Radiology-as-a-Service gab mir als Quereinsteiger eine Chance und so konnte ich mich dort als Projektleiter, z. B. für Aufbau und Ramp-up von Radiologiezentren, schnell und sehr gut weiterentwickeln. Den Bereich Hautkrebs habe ich aber nie aus den Augen verloren und Magnosco wurde mir durch Kollegen ans Herz gelegt.
So kamen wir damals auch ins Gespräch und als ein Geschäftsführer gesucht wurde, hat man mir diese Stelle angeboten. Da Magnosco sich der Optimierung der Hautkrebsdiagnostik verschrieben hat, kann ich hier alle meine Erfahrungen einbringen und kümmere mich seither vorwiegend um die Skalierung des Unternehmens, die Digitalisierung von Prozessen und zusammen mit meinem Kollegen, Thomas Diepold, die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Magnosco vereint aus meiner Sicht alles, was ein erfolgreiches Unternehmen benötigt. Ein spannender und wachsender Markt, eine Kombination aus Wissenschaft, neusten Technologien und Unternehmertum sowie ein hochmotiviertes und kompetentes Team.
Ihr Unternehmen entwickelt Geräte zur besseren und genaueren Diagnose von Hautkrebs. Wie sieht der Krebserkennungsprozess aus und wie wurden KI-Technologien in diesem Verfahren eingesetzt?
Wir haben bereits ein erstes Gerät zur Hautkrebsdiagnostik entwickelt und unter dem Namen DermaFC als Medizinprodukt zugelassen. Das DermaFC kombiniert eine patentierte Laserspektroskopie-Methode und KI. Durch dieses Produkt haben wir, vorrangig durch klinische Studien, sehr viel exklusives Wissen im Unternehmen aufgebaut. Dieses Wissen nutzen wir nun, um weitere Produkte zu entwickeln. Wir sprechen da vom „next big thing“ in der Dermatologie. Wir werden damit bald größer auf der Bildfläche erscheinen und freuen uns schon darauf unsere Entwicklungen der breiten Masse zu präsentieren.
Was sind die Vorteile dieser Methode im Vergleich zu anderen traditionellen Verfahren in der Branche?
Schauen wir bei dieser Frage auf unsere KI. Die Analyse großer Daten und die Entwicklung sinnvoller Algorithmen wird bei uns mit KI bzw. Machine Learning bestritten. Nur so ist es möglich die Qualität an diagnostischer Unterstützung zu gewährleisten, die Anwendern*innen auch wirklich hilft. Dabei ist es uns besonders wichtig, die Daten sehr gut aufzubereiten und vor allem zu labeln. Die beste KI nützt nichts, wenn man keinen Wert auf den „ground truth“ legt. Ein sauberer, gut gelabelter Datensatz hilft uns dabei sehr. Das erfordert viel Zeit und Wissen, aber unsere Ergebnisse sprechen für sich.
Ein neues Gerät zu erfinden und weiterzuentwickeln ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Was war einst das größte Hindernis, um Ihre Ideen auf dem Papier in die Praxis umzusetzen?
Die erste Hürde ist sicherlich eine gute Idee zu haben. Dafür haben wir uns intensiv mit den Bedürfnissen der Dermatologen auseinandergesetzt und das Team hat seine ganze Kreativität in die Entwicklung gesetzt. Richtig ist, dass es dann ein langer Weg ist, vom Papier zum Produkt. Als Startup sind wir da natürlich auf Kapital durch Dritte angewiesen. Die tollste Idee muss letztendlich auch finanziert werden. Als MedTech-Unternehmen mit den bekannten Risiken, wie Zulassung oder klinischen Studien, sind wir nicht so attraktiv für gewinnorientierte VCs, die ihren ROI nicht auf längerfristige Projekte auslegen. Durch den Gesellschafterwechsel Mitte 2022 zur LTB Holding GmbH, haben wir einen verlässlichen Partner, welcher mit dem Blickwinkel eines erfolgreichen mittelständigen Unternehmens auf unsere Materie schaut, uns unterstützt, aber auch den Druck gibt, den wir brauchen. So sind wir glücklicherweise in einer nun beruhigten Lage und können unserer eigentlichen Arbeit nachkommen.
Eine weitere Herausforderung ist die Suche nach neuen Mitarbeitern. Zum einen ist der Markt aktuell sehr schwierig, zum anderen werden in Berlin, vor allem für Software-bezogene Positionen teilweise Mondpreise aufgerufen, die wir nicht bieten können und wollen. Daher freut es uns umso mehr, dass unsere Mitarbeiter den Sinn an ihrer Arbeit schätzen, das Miteinander und die Chance etwas zu kreieren, was einen Mehrwert liefert.
Mit Magnosco planen Sie bereits, das Produktportfolio zu optimieren und auf den US-Markt auszuweiten. Wie haben Sie und Ihr Team sich auf diesen Marktzugang vorbereitet?
Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt unterscheiden sich, u. a. in Regulatorik, Vergütung und Workflows. Der amerikanische Markt ist dabei sehr speziell, divers und weist viele Hürden im Zugang auf – z. B. die Zulassung durch die FDA. Als europäisches, kleines Startup sind diese Hürden so gut wie nicht zu bewältigen. Man benötigt Partner mit Know-how, um diesen Weg zu beschreiten. Wir hatten glücklicherweise viel Expertise in unserem Netzwerk und konnten dementsprechend die notwendigen Schritte planen und vorbereiten. Gute Kontakte in die Staaten knüpften wir durch den German Accelerator oder mit Hilfe von #ai_berlin.
Das Jahr 2024 wird für Magnosco ein besonderes Jahr sein, denn es markiert das 10-jährige Bestehen des Unternehmens. Welche Pläne haben Sie für die Zukunft und welche Meilensteile peilen Sie an?
Ja, da haben Sie recht. Zehn Jahre Magnosco werden für uns sicherlich ein Highlight. Wir haben viel vor und wollen mit unseren neuen Produkten durchstarten. Wir glauben fest daran, dass 2024 das erfolgreichste Jahr für Magnosco werden wird. Dabei denken wir international, denn unser „next big thing“ kann die Dermatologie nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern auch global bedienen. Insofern haben wir im nächsten Jahr bestimmt mehrere Gründe zu feiern.
Last but not least: Was denken Sie über die KI-Szene hier in Berlin? Wie profitiert das Unternehmen von diesem Standort?
Berlin ist für Startups generell eine der wichtigsten Adressen in Europa. Auch wenn wir in einigen Bereichen noch viel Aufholbedarf haben, lädt die Stadt mit seiner Vielfalt und Kreativität viele Menschen ein hier zu gründen. Der Bereich der Künstlichen Intelligenz ist spannend. Zu den vielen Unternehmen, die darauf setzen, kommen mittlerweile auch einige Acceleratoren dazu, sodass sich die Community auch in dafür geschaffenen Spots treffen und austauschen kann. Dies ist Gold wert und steigert noch einmal die Attraktivität des Standortes Berlin. Wir können dies auch ganz einfach an unseren Ausschreibungen sehen. Auf keine Stellen bekommen wir so viele quantitativ und qualitativ hochwertigen Bewerbungen, wie auf unsere AI-Positionen. Das hat neben dem guten Ruf unseres Teams und den aussagekräftigen Publikationen nicht zuletzt mit dem Standort Berlin zu tun.