Dr. Philipp Schlenkhoff, Gründer AI Transformation Institute © Helen Nicolai

27 Mai 2024

"Niemand wird durch KI ersetzt, sondern durch jemanden, der KI einsetzt."

Künstliche Intelligenz betrifft alle Bereiche des Lebens und hat auch die deutsche Wirtschaft mit einem tiefgreifenden Wandel konfrontiert: Produktionsweisen werden optimiert, neue Geschäftsmodelle entstehen und die Arbeitswelt als solches verändert sich grundlegend. Doch mit großen Chancen kommen auch Herausforderungen – von technologischen Hürden bis hin zu ethischen Fragen – und diese wollen in die richtigen Bahnen gelenkt werden.

Das AI Transformation Institute, eine Ausgründung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, Unternehmen dabei zu unterstützen, die neuesten Entwicklungen im Bereich KI zu bewerten und für ihre Bedürfnisse einzusetzen. Im Gespräch mit #ai_berlin, erörtert Gründer Dr. Philipp Schlenkhoff, wie es um die deutsche Wirtschaft in puncto KI bestellt ist, welche Strategien bei der Implementierung von KI-Tools von Erfolg gekrönt sind und wie die KI-Transformation als Ganzes in Deutschland gemeistert werden kann.

Hallo Herr Schlenkhoff! Können Sie uns erzählen, warum Sie das AI Transformation Institute in Berlin gegründet haben?

Das Potenzial der Generativen KI-Technologie war uns schnell bewusst. Vielen unserer Freunde außerhalb der KI-Community war jedoch nicht klar, welche tiefgreifenden Veränderungen diese Technologie mit sich bringen würde. Das hat uns den erheblichen Bedarf an Weiterbildung und Umschulung gezeigt. Und warum Berlin? Hier gibt es ein starkes KI-Ökosystem mit Experten, die bereits umfangreiche Erfahrung mit KI haben und die wir für unser Projekt gewinnen konnten.

Die Generative KI ist mittlerweile kein neues Thema mehr.

Ja, Generative KI ist kein neues Thema mehr. In unseren Schulungen und Workshops treffen wir zunehmend auf Personen, die diese Technologie nutzen. Oft fehlt jedoch das tiefere Verständnis dafür, wie die Technologie funktioniert. Dieses Verständnis ist entscheidend, um zu erkennen, welche Anwendungen im Unternehmen sinnvoll sind und welche nicht. Es hilft auch weniger begeisterten Nutzern, die bisherigen Herausforderungen und Ergebnisse besser zu verstehen, zu verbessern und sich auch komplexere Themen zu wagen.

Wie nehmen Sie die generelle Stimmung und Offenheit deutscher Unternehmen gegenüber der KI-Transformation wahr? Gibt es signifikante Unterschiede zwischen KMUs und Großunternehmen?

Letztes Jahr im Mai hatte ich ein Gespräch, in dem folgende Frage aufkam: “Wer sagt mir denn, dass das nicht nach Blockchain einfach die nächste Sau ist, die durchs Dorf getrieben wird?”

Anfangs konnte die Stimmung vielleicht am Besten mit “Technostress” umschrieben werden. Jetzt ist es vielleicht eher die Angst abgehängt zu werden, vielleicht verbunden mit etwas Unsicherheit: Was muss ich jetzt eigentlich machen?

Aber das hängt in der Tat von der Unternehmensgröße und der Branche ab. Die großen Konzerne haben das transformative und in Bereichen disruptive Potential schnell erkannt. Viele von Ihnen arbeiten aktuell zum Einen daran die Mehrheit der Belegschaft zu erreichen und zum Anderen die großen Projekten aus dem  Piloten-Status in den Betrieb zu bekommen. Viele KMU in eher traditionellen Branchen waren zurückhaltend und tasten sich grade an das Thema heran.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse, denen Unternehmen in Deutschland bei der KI-Transformation gegenüberstehen? Überwiegt hier noch zu sehr die Angst gegenüber den Chancen der Technologie?

Die Technologie hat großes Potential. Und sicher, mit großem Potential gibt es auch große Risiken. Nichts Neues: In Deutschland sehen wir eher die Risiken. Und natürlich “German Angst”- das ist ganz klar ein Hindernis. Ein weiteres ist die Unsicherheit, was ich rechtlich darf. Und um keine Fehler zu machen nutzen viele KI dann besser gar nicht.

Die Forschungsabteilung der Investmentbank Goldman Sachs prognostiziert, dass ein Viertel aller Aufgaben durch KI automatisiert werden könnte. Wie sollte sich die Belegschaft auf diese Veränderungen vorbereiten? In welchen Funktionen gibt es in Unternehmen den größten Bedarf?

Ich bin ja ein Kind des Ruhrgebiets. Folgender Vergleich: Der Tierpfleger vom Grubenpony fand das mit der Dampfmaschine auch Mist. Hat er aber in der Schlosserei umgelernt und wurde Maschinenführer, konnte er deutlich mehr Geld verdienen. Und genau dabei wollen wir die Menschen unterstützen. Daher auch das Motto, gemeinsam die KI-Transformation meistern.

Aus meiner Sicht kommt die Technologie grade zur rechten Zeit, um die Demographielücke zu füllen. Das erleben wir bei unseren Kunden z.B. im technischen Kundenservice hautnah. Die Frage ist nicht wieviel Geld durch den Technologieeinsatz gespart werden kann, sondern vielmehr, wie kann der Service und der Erhalt des Fachwissens nach dem Renteneintritt der Kollegen überhaupt aufrechterhalten werden?

Und der größte Bedarf für Weiterbildung? Aus unserer Sicht ist sollte der Schwerpunkt zunächst gar nicht mal auf Funktionen liegen, sondern auf dem Thema Hierarchie- nämlich oben. Das Management muss verstehen, wie diese Technologie funktioniert, was sie kann und was nicht. Wie sollen sie sonst Ihre Organisation durch diese Transformation führen?

Wie kann das AI Transformation Institute hier helfen? Es klingt so, als würden Sie bei den Grundlagen ansetzen?

Absolut, ohne solide Basis geht es nicht. Auch um die Auswirkungen auf den eigenen Job, das eigene Unternehmen zu verstehen. Und da wir über das Thema Angst sprachen- da hilft ein konzeptionelles Verständnis, wie die Technologie funktioniert. Wir nennen das 'Entmystifizieren'. So können Chancen und Risiken sachlich bewertet und die Technologie effektiv genutzt werden. Unser Motto lautet: Niemand wird durch KI ersetzt, sondern durch jemanden, der KI einsetzt.

Was folgt nach den Grundlagen?

Nach den Grundlagen klären wir, wo KI eingesetzt werden kann, wie sie in Prozesse integriert wird und welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Unsere praxisorientierten Kurse bieten Anwendungsfälle, praktische Übungen und fördern die Entwicklung eigener Ideen. Die Inhalte variieren je nach Zielgruppe, etwa Manager, Marketingfachleute oder AI-Compliance-Beauftragte.

Wie wird Ihr Angebot generell angenommen?

Unser Angebot wird sehr positiv angenommen. Besonders Keynotes und Beratungsangebote waren sofort erfolgreich. Der Vertrieb der Kurse benötigte etwas Anlaufzeit, doch mittlerweile läuft er sehr gut.

An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit? Können Sie bereits von ein paar Erfolgsgeschichten erzählen?

Wir haben unsere Schulungsformate stetig verbessert und arbeiten nun an skalierbaren Lösungen, um mehr Menschen mit unserem Angebot erreichen zu können. Diese werden auch weiterhin Live-Elemente beinhalten, da unsere Erfahrung zeigt, dass Menschen die Künstliche Intelligenz lieber von Menschen erklärt bekommen.

Zwei Erfolgsbeispiele fallen mir spontan ein. Erstens ein Fachverlag, der mit unserer Unterstützung demnächst neue Produktfeatures auf den Markt bringt. Zweitens ein großer Medienkonzern, der so begeistert von unseren Schulungsformaten ist, dass wir mittlerweile einen großen Teil der Führungsmannschaft trainiert haben.

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview.