Wir Menschen haben das Bedürfnis, uns mit Gleichgesinnten auszutauschen und zu vernetzten, das liegt quasi in unserer DNA. Gerade das sich stetig weiterentwickelnde und vor Innovationen strotzende Feld Künstliche Intelligenz drängt sich für Austausch nahezu auf. Die KI-Beratung Taival dieses Potential erkannt und 2018 die „AI Monday“-Reihe gestartet. Die Events finden immer montags an verschiedenen Orten europaweit statt und beinhalten spannende Vorträge und das so wichtige Netzwerken. In der Coronapandemie wurde das Format kurzerhand in die Onlinewelt verlegt.
Juri Stobbe ist Leiter des deutschen Taival-Büros und Mitinitiator von AI Monday. Wir sprachen mit ihm über seine Berliner Lieblingsorte, das blühende KI-Ökosystem und warum wir alle mehr machen sollten, als immer nur Risiken abzuschätzen.
Hallo Herr Stobbe, was gefällt Ihnen besonders gut an Berlin? Wo verbringen Sie am liebsten Ihre Zeit?
Als sogenannter Ur-Berliner bin ich in Berlin aufgewachsen und liebe diese Stadt. Ich denke das größte Gut ist die Vielfalt, Freiheit und unermesslichen Möglichkeiten, die diese Stadt zu bieten hat.
Ansonsten liebe ich das Radfahren. Als Triathlet verbringe ich also viel Zeit – sowohl auf den Straßen Berlins und im Umland, in den vielen Seen und Freibädern als auch in den vielen Parks. Seit unsere Familie einen Hund hat, lernen wir auch immer wieder neue schöne grüne Ecken in Berlin kennen.
Mit den AI Mondays Berlin haben Sie gemeinsam mit Berlin Partner und dem DFKI eine Event-Reihe geschaffen, auf der sich KI-Akteur*innen und -Interessierte austauschen können. Wie fand das Ganze seinen Anfang?
Als wir 2017 Taival gründeten, sahen wir, dass die Diskussion auf Events über KI oft sehr technologisch und von IT-Expert*innen getrieben war. Wir waren und sind aber der festen Überzeugung, dass man sich dem Thema aus der Richtung konkreter Business Use Cases und wertorientierter Piloten nähern sollte, um den Wert von KI für Unternehmen zu nutzen. Unter dem Arbeitstitel "KI-Kamingespräch" kamen wir schnell auf die Idee, ein Konzept zu nutzen, das eine Mischung aus dem TED-Talk-Format und den „Mobile Mondays" bzw. „Geo Mondays“ ist, welche Jahre zuvor die Welt erobert hatten. Und als Anerkennung dieser Veranstaltungen als frühe Technologiepionier*innen nannten wie unsere Reihe: "AI Monday". Von da an nahm die Reise ihren Lauf und wir sind begeistert zu sehen, wie unsere kleine Idee gewachsen ist und eine breite Gemeinschaft von Business- und auch Technologieexpert*innen angesprochen hat.
Wie haben Sie die Transformation der AI Mondays in die digitale Welt seit der Coronapandemie empfunden? Wie hat sich die Reihe seitdem entwickelt?
Das Interesse am Thema KI hat sich durch Corona nicht vermindert. Im Gegenteil – trotz einer wahren Flut von neuen digitalen Inhalten, Webinaren und Konferenzen, oft sogar zeitgleich, haben wir nach wie vor Anmeldungen in dreistelliger Höhe. Die Möglichkeit, von überall an unseren Veranstaltungen teilzunehmen, hat viele neue Interessierte angezogen. Auch hatten wir es einfacher spannende Speaker zu finden, weil die technischen Möglichkeiten natürlich auch dies leichter machen.
Einen Punkt konnten wir aber bisher noch nicht auf das gleiche Niveau bringen: Networking und der ungezwungene Austausch. Auch, wenn wir viele verschiedene Anbieter und Lösungen ausprobiert haben – das obligatorische Schwätzchen bei Pizza und Bier kann Zoom und Co. nicht adäquat ersetzen.
Berlin ist heute sehr gut aufgestellt, was Vernetzung und Austausch im Bereich der Künstlichen Intelligenz angeht. Welche KI-Hubs und Acceleratoren sind hier in Ihren Augen besonders erwähnenswert?
Ich denke, insbesondere die Mischung und Vielfalt macht den größten Reiz aus: Viele Anbieter*innen von Lösungen, Start-ups und größere Unternehmen, Start-up Hubs und Innovationslabore, Co-working Spaces etc. machen es für Unternehmen und Talente besonders attraktiv in Berlin zu sein. Dazu kommt, dass die Stadt international einen sehr guten Ruf hat und viele Talente aus dem Ausland explizit nach Berlin kommen wollen. Aber auch von den hiesigen Universitäten und diversen Forschungseinrichtungen kommt sehr viel an Potential und auch Möglichkeiten im Bereich KI zu forschen, zu entwickeln und Neues zu schaffen.
In der Vergangenheit haben die vielen Konferenzen wie Rise-of-AI und Co. viele Expert*innen nach Berlin geholt, die Eröffnung vom AI Campus Berlin durch Merantix wurde medial sehr weit getragen und hat geholfen den Standort populär zu machen. Das DFKI baut seine Kapazitäten in Berlin aus, der Bereich KI und Healthcare boomt in Berlin, aber auch große Unternehmen wie Amazon, SAP und Zalando haben ihre großen AI Research Labs hier in Berlin. Ich würde daher nicht Einzelnes hervorheben – eher das gesamte Ecosystem als Ganzes.
Die AI Mondays finden auch an weiteren Standorten europaweit statt. Wie schätzen Sie die Entwicklungen im Bereich KI an den Standorten im Vergleich zu Berlin ein? Wo liegt Berlin vorn, wo könnte es vielleicht noch aufholen?
Berlin ist hier super aufgestellt. Aber Standorte wie Stuttgart und München haben mit ihren vielen investitionsfreudigen mittelständigen und großen, nicht nur Automobil-fokussierten, Unternehmen deutlich mehr Umsatzpotential für innovative Start-ups. Wo in Berlin viel Fokus auf Research, Innovation und Prototypen gelegt wird, bringt man hier im Süden schnell auch Lösungen in produktiven Einsatz. Das hilft Start-ups natürlich dabei schneller profitable Lösungen und Produkte zu entwickeln. Initiativen wie appliedAI in München oder das CyberValley aus Tübingen sind dazu kleine, sehr gut finanzierte erfolgreiche Beispiele, wo man sich sicher auch das eine oder andere abschauen kann.
Stellen Sie Unterschiede in der Teilnahme und der Beteiligung an den AI Mondays in Berlin im Vergleich zu zum Beispiel Kopenhagen, Helsinki oder auch Stuttgart fest? Unterscheiden sich die Ideen und Vorträge je nach Standort?
Die Nuancen und Unterschiede sind nicht groß. Am meisten stellen wir diese in den Communities, die sich um die Events gebildet haben, fest. So haben wir in Stuttgart und Helsinki einen sehr festen Kern an Teilnehmer*innen, der immer dabei ist und das Event auch aktiv in die sozialen Medien trägt. Leipzig hat viel mehr Lokalkollorit als andere Standorte – Kopenhagen und NRW werden von Partner*innen organisiert und sind daher auf ihre Weise etwas Besonderes. Aber an allen Events nehmen – immer auch ein wenig abhängig vom jeweiligen Themen-Schwerpunkt – etwa ein Drittel technisch orientierte Menschen teil: Data Engineers und Data Scientists, ML-Expert*innen, etc. Etwas mehr als ein Drittel kommen aus der „Business-Ecke“: CEOs und Unternehmer*innen, Leiter*innen von Fachabteilungen, Innovationslabs oder Beratungen. Der Rest sind Studierende oder andere sehr unterschiedliche Gruppen. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch in Kopenhagen mit einem Grundschullehrer.
Wenn Sie einen Wunsch freihätten: Was würden Sie sich für die Zukunft im Bereich KI am Standort Berlin wünschen?
Ich wünsche mir, dass der Fokus von Politik, Forschung und allen Beteiligten im Bereich KI und Maschinelles Lernen auf das Ausschöpfen der unfassbar großen Möglichkeiten, die diese Technologie uns gibt, gelegt wird. Und alle Probleme, die damit einhergehen, erst dann zu lösen, wenn sie auch auftreten. Lasst uns weniger über Regulierung, Ethik und Co. sprechen, sondern darüber, wie kleine und mittlere Unternehmer*innen ihre Prozesse digitalisieren, mit KI automatisieren, mittels vieler gesammelter Daten und ML-Algorithmen bessere Ergebnisse liefern und gänzlich neue Geschäftsmodelle daraus entstehen. Lasst uns aufzeigen, welche Methoden und Ansätze dazu notwendig sind, wie Unternehmen sich umstellen müssen, welche Talente sie brauchen und, wie sie diese finden oder ausbilden können. Fördern, Informieren & Inspirieren. Fokus auf Machen und weniger auf mögliche Bedenken und Risiken.
Zu guter Letzt: Auf welche AI Monday Events dürfen sich die Berliner*innen in der nächsten Zeit freuen?
Wir arbeiten gerade an einem „AI Monday Berlin|DMEA special“ am 7. Juni im Rahmen der DMEA-Konferenz zum Thema „Digitale Gesundheit“. Danach wird es nach den Sommerferien im August/September wieder neue Events geben. Dann vielleicht sogar wieder mit Pizza und Bier – und ganz persönlich