Alexander Müller lacht in die Kamera

25 November 2021

„Es ist dringend notwendig, effizientere KI-Algorithmen zu entwickeln, die weniger Ressourcen und Daten benötigen, um den Einsatz von Technologie in Zeiten der Klimakrise zu rechtfertigen.“

Es gibt Prozesse, die kein Mensch oder wenige gerne machen. Dazu gehört zum Beispiel auch das – zugegebenermaßen in die Jahre gekommene – Faxen oder Scannen von Dokumenten. Warum also nicht unliebsame Dokumentenverarbeitung auslagern – und zwar an eine KI? Das dachte sich auch das Berlin Startup Workist und entwickelte die WorkKI für Vertriebsmitarbeiter*innen. Einer der drei Gründer Alexander Müller erzählt uns, wie die Idee für die KI und das Unternehmen entstand, welche Wünsche er für die Zukunft der Künstlichen Intelligenz hat und er hat sogar noch einen heißen Tipp für die kalte Jahreszeit.

 

Hallo Alexander! Euer Sitz mit Workist ist in Berlin – warum funktioniert die Gründung eines KI-Startups gerade hier so gut?

Berlin ist eindeutig und ohne jeden Zweifel die Gründerhauptstadt Deutschlands. Hier gibt es ein Ökosystem der kurzen Wege und man kann an einem Nachmittag drei Venture-Capital-Firmen treffen. Das ist in Deutschland woanders so einfach nicht möglich. Sehr viel Talent und Geld kommen hier zusammen, sodass viele KI-Startups entstehen und sich sehr erfolgreich entwickeln können. Es entstehen großartige Ideen, die dann auch schnell in die Anwendung kommen und auf VCs treffen, die willens sind, Gründer*innen zu finanzieren, die groß denken.

Du hast noch zwei Mitgründer – Tim Wegner und Dr. Fabian Brosig. Wie habt ihr drei zusammengefunden und wie entstand die Idee für Workist?

Meine zwei Mitgründer habe ich bei meinem vorherigen Arbeitgeber Minodes kennengelernt. In dem Startup, welches von Tim gegründet wurde, waren Fabian und ich für die Technologie verantwortlich. Nachdem Minodes an Telefonica verkauft wurde, hatten sich zunächst unsere Wege getrennt. Im Laufe des Jahres 2019 wurde uns allen aber klar, dass wir gerne zusammen wieder etwas gründen wollen und wir begannen, an Workist zu arbeiten.
Unser Startpunkt war: Wir wollen modernste KI-Technologie nutzen, um Menschen die Arbeit zu erleichtern. Dabei sind wir erstmal durch das Land gereist und haben mit potenziellen Kund*innen gesprochen. Dabei haben wir Szenen erlebt, wie Mitarbeiter*innen bei unseren Kund*innen 40-seitige Aufträge von einem Fax, PDF, Papier in SAP System getippt haben. Das sah so dermaßen aus der Zeit gefallen aus, dass wir wussten, hier müssen wir etwas ändern. Nach kurzer Validierung mit weiteren potentiellen Kund*innen war klar, dass wir hier wirklich auf ein riesiges ungelöstes Problem gestoßen sind. In der B2B-Economy wird fast das gesamte BackOffice am Laufen gehalten, indem sich Firmen PDF-Dateien oder Excel Sheets hin und her schicken und die Daten von einem IT-System ins andere abgetippt werden.


Mit Workist wendet ihr moderne Deep-Learning-Methoden auf Dokumenten-Verarbeitung an. Gab es einen initialen Moment, in dem ihr entschieden habt, gerade in diesem Bereich ein Unternehmen zu gründen? Wie funktioniert eure KI?

Auf Basis Fabians und meiner Erfahrung im Bereich Deep Learning und Machine Learning war sehr schnell klar, dass wir hier unser Skill-Set nutzen wollen, um große Probleme zu lösen. Nachdem wir dann das Problem gefunden hatten, ging es damit los, ein Produkt zu entwickeln. Wir haben sehr eng mit Kund*innen gemeinsam eine Lösung entwickelt, die es den Mitarbeiter*innen von Kund*innen ermöglicht, Aufträge und andere Dokumente automatisiert auszulesen und in ein IT-System zu übertragen.
Unser Produkt lässt sich generell als eine Document-Intelligence-Lösung beschreiben, welche sich darauf spezialisiert, Datenpunkte aus Dokumenten zu extrahieren. So kann unsere KI zum Beispiel einfach Daten (wie Artikelnummern, Lieferdaten, Bestellnummern und vieles mehr) weiter von Auftragsdokumenten extrahieren.
Um dies zu ermöglichen, kombinieren wir Deep-Learning-Methoden, wie Graph Convolutional Neural Networks, Computer Vision und Transformer-Modelle. Der ganze Bereich der Dokument Intelligence entwickelt sich gerade extrem schnell und wir verfeinern unsere Algorithmen stetig weiter und probieren täglich neue Dinge aus.

Derzeit habt ihr bei Workist mit WorKI ein Produkt in eurem Portfolio. Plant ihr in der nächsten Zeit die Entwicklung weiterer Lösungen?

WorKI ist der Name unserer KI. Aktuell haben wir uns vor allem auf den Vertrieb auf der Herstellerseite konzentriert. Wir arbeiten aber aufgrund der hohen Nachfrage aus anderen Industrien auch an Lösungen für den Einkauf und der Buchhaltung. Somit wird es bald auch „WorKI for Procurement“ und „WorKI for Accounting“ geben.

Stichwort Zukunft: Was für andere Entwicklungen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen erwartest du in den nächsten Jahren? Wo werden wir 2030 stehen?

Mein Wunsch für das Jahr 2030 ist, dass KI von uns Menschen dazu genutzt wird, Tätigkeiten zu übernehmen, welche unsere menschlichen Stärken nicht ausnutzt. Also, dass der Mensch die KI als Werkzeug benutzt und nicht durch z. B. Social Media zu ihrem Sklaven wird.

Um möglichst breite KI-Anwendungen zu realisieren, ist auch in der Forschung noch einiges an Arbeit notwendig. Meines Erachtens ist es dringend notwendig, effizientere KI-Algorithmen zu entwickeln, die weniger Ressourcen und Daten benötigen. Nur so lässt sich der Einsatz von Technologie in Zeiten der Klimakrise rechtfertigen und unsere Branche kommt in keinen Rechtfertigungsdruck.

Zum Abschluss freuen wir uns noch über einen persönlichen Tipp von dir: Wo in Berlin lässt es sich in den anstehenden kühleren Monaten am besten aushalten?

Neben KI ist Geschichte mein „guilty Pleasure“ und davon gibt es hier Berlin ja mehr als genug. In der kalten Jahreszeit kann man hervorragend die kühlen Tage nutzen, um sich im Museum aufzuwärmen. Ganz besonders zu empfehlen ist meiner Meinung nach das kostenlose Deutsche Historische Museum. Dort habe ich schon einige Nachmittage verbracht und lerne immer wieder etwas Neues!