Künstliche Intelligenz hat sich längst in vielen Branchen als nützliche Unterstützung etabliert. Auch die vielen lästige Buchhaltung ist heutzutage mit Hilfe von KI einfacher zu bewältigen. Das Berliner Unternehmen CANDIS hat sich zur Aufgabe gemacht, Rechnungsfreigaben mit KI zu automatisieren. Dank der Software sparen Unternehmen nicht nur Zeit, sondern reduzieren auch Fehler. Wir sprachen mit CEO Christian Ritosek und Senior Machine Learning Engineer Deepka Mishra über die Ursprungsidee hinter CANDIS, die Vorteile der KI und Berlin als ideales Ökosystem für Machine Learning und KI-Startups.
Hallo Herr Ritosek, hallo Herr Mishra. Herr, Ritosek, wie kamen Sie dazu, CANDIS zu gründen und wie hat sich Ihr Team im Laufe der Zeit entwickelt?
Christian Ritosek: Ich habe CANDIS gemeinsam mit meinem Unternehmerfreund Christopher Becker gegründet. Uns war es immer ein Dorn im Auge, dass viele Unternehmensprozesse wie im Marketing oder im Sales automatisiert ablaufen, Buchhaltungs- und insbesondere Rechnungsprozesse jedoch noch zu einem großen Teil manuell sind. Die Idee von CANDIS war geboren. Wir haben an dem größten Hackathon in Deutschland teilgenommen und den Prototypen gebaut. Mit diesem Prototyp haben wir den Hackathon gewonnen, und dadurch sind die ersten Unternehmen auf uns aufmerksam geworden. Wir haben CANDIS weiterentwickelt, und das Team ist von ursprünglich vier Leuten auf mittlerweile 100 Mitarbeiter gewachsen.
Deepka Mishra: Ich wurde von einem der Candis-Kollegen über LinkedIn im Oktober 2018 auf CANDIS aufmerksam, und der Gedanke, der hinter dem Unternehmen steckt, hat mich unheimlich interessiert und fasziniert. In den letzten beiden Jahren haben wir unser Team von zwei auf vier Mitglieder erweitert. Das Team für Machine-Learning (auch „Team Beyonce“ genannt) ist ein spezielles Arbeitsgruppenteam in der Engineering-Abteilung von Candis. Es konzentriert sich sowohl auf Forschung als auch die praktische Implementierung von Algorithmen, die zur präzisen Lösung moderner Buchhaltungsprobleme aufgestellt worden sind.
CANDIS bietet eine Software an, die Rechnungsfreigaben automatisiert. Herr Mishra, wie funktioniert Ihre Künstliche Intelligenz, die dahintersteckt?
DM: Künstliche Intelligenz (KI) erkennt das Muster des Kreislaufs zwischen Genehmiger und Anforderer für eine bestimmte Organisation und gleicht dieses mit dem von Kund*innen angegebenen Ansprechpartner ab, formuliert diese Zuordnungen und speichert sie, um anschließend einen Genehmigungsprozess vorzuschlagen und diesen zu automatisieren. Es handelt sich um einen dynamischen Algorithmus, der in Sekundenschnelle mit jeder Korrektur und jeder Änderung im von den Benutzer*innen aufgestellten Arbeitsablauf lernt.
Herr Mishra, wie ist das Entwickler-Team hinter der Künstlichen Intelligenz aufgestellt?
DM: Bei dem Team handelt es sich hauptsächlich um ein Forschungs- und Entwicklungsteam, das sich sowohl auf Pionierforschung konzentriert und dafür an Konferenzen und Veröffentlichungen teilnimmt und Patente beantragt, als auch auf die Implementierung neuartiger Konzepte und Algorithmen als eine Softwarelösung konzentriert. Wir haben Forscher*innen, Praktikant*innen und leitende Machine-Learning-Wissenschaftler*innen, die zum Erreichen der angestrebten Ziele mit Entwickler*innen aus der Engineering-Abteilung und dem Business-Intelligence-Team zusammenarbeiten.
Welche Vorteile hat die KI in dem Falle Ihres Produktes gegenüber klassischem Rechnungswesen?
DM: Klassische Buchhaltung impliziert sehr viel sich wiederholende und langwierige Arbeit. KI greift hierbei rettend ein, weil die langwierigen und zeitintensiven Arbeitsschritte durch KI automatisiert werden. KI verwaltet automatisch die Erfassung, Sortierung und Anzeige sachbezogener Daten auf so eine Weise, dass das Geschäft dadurch effizienter abgewickelt wird. Dadurch bekommen die Mitarbeiter Zeit für produktivere Aufgaben und zur Geschäftsentwicklung.
KI versteht auch bestimmte Muster und kann auf dynamische Weise in Sekundenschnelle aus Benutzerverhalten lernen, das das Produkt als eine Echtzeit-Automatisierung einstuft. Mit wachsendem Geschäft wächst auch die Automatisierung. Hacker setzen KI für Finanzbetrug ein, der jedoch auf einfache Weise dekodiert und über den Aufbau zuverlässiger KI-Betrugsermittlungsmodule angegeben werden kann. Geringere Buchhaltungsfehler, die von Mitarbeitern übersehen werden können, können ebenfalls über KI angezeigt werden.
KI ist eine Lösung zum Geldsparen, automatischen Skalieren und zum Treffen solider Entscheidungen, die für gewöhnlich übersehen werden. Es ist zu beachten, dass auf KI basierende Lösungen kurzfristig eine eher schwache Leistung zeigen, doch sie bieten langfristig gesehen ein unheimlich großes Potential, weil Prognosen und das Vertrauen mit den Daten, die mit der KI-Lösung bearbeitet werden, besser werden.
Ihre Lösungen tragen zur Revolutionierung des Finanzsektors bei. Wie werden sich Technik und insbesondere KI in Zukunft entwickeln? Wie können Menschen und KI in Zukunft „Hand in Hand“ arbeiten?
DM: Die Forschung in Bezug auf KI im Buchhaltungsbereich steckt noch in den Kinderschuhen. KI besitzt das Potential, mit aktiven Open-Source-Konferenzen sowie von Institutionen, Universitäten und Start-ups im Finanzsektor durchgeführter Forschung zu wachsen. Die Einfachheit, mit der KI-Ideen über Cloud-Plattformen zu Schulungs- oder Testzwecken verwendet werden können, hat die Ressourcen wortwörtlich in die Hände von Datenwissenschaftlern gelegt. Die zwingende Prognosefähigkeit von KI wird nur mit entsprechenden Hardware-Fortschritten in den nächsten zehn Jahren wachsen, ganz zu schweigen von der Auswirkung der Fortschritte im Quantencomputing.
KI-Lösungen können Kund*innen beim Zusammentragen von Informationen, bei der Datenverarbeitung, bei langwierigen Routinearbeiten und bei physischer Arbeit unterstützen und ihnen dabei mehr Zeit für anspruchsvollere Arbeiten einräumen, für die Leitungskompetenzen, kreatives Denken, Urteilsvermögen und weitere menschliche Fähigkeiten erforderlich sind. Es lässt sich nur schwer mit Bestimmtheit voraussagen, wie sich KI in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, doch wir in der Community der Datenwissenschaftler*innen sind dafür verantwortlich, auf künstliche Weise unter Verwendung von Verhaltenskodexes intelligente Systeme zu konzipieren, die gewährleisten, dass ein automatisiertes System in der Lage ist, in bestimmten Situationen auf ethische Weise zu reagieren.
In Bezug auf das Finanzwesen kommt Datensicherheit eine der höchsten Prioritäten zu. Wie gewährleisten Sie die Datensicherheit für Ihre Kund*innen?
DM: Datensicherheit wird von verschiedenen Teams in der Engineering-Abteilung erreicht. Auf das gesamte Bündel der Daten unserer Kund*innen können nur wenige Personen zugreifen, und dies auch nur über ein sicheres VPN-Netzwerk zur Datenübertragung mit mobilen Authentifizierungsschlüsseln. Die meisten der wichtigen sensiblen Kundendaten werden indiziert, und zu Experimentierungszwecken wird nur die anonymisierte Indexierung verwendet. Für den Aufbau generischer Machine-Learning-Lösungen haben wir gemäß den Vorgaben der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Verträge mit Kund*innen über die Verwendung ihrer Daten zu Schulungszwecken abgeschlossen. Bei Kund*innen, die nicht einen solchen Vertrag haben, setzen wir kundenspezifische Modelle für sie ein.
Anhand von Datenemulationstechniken werden Kundendatenmuster mit einem falschen Datensatz nachgebildet, die den Originaldaten ähnlich sind und die angestrebte Lösung bieten.
Sie haben kürzlich frisches Kapital einsammeln können, Glückwunsch dazu! Welche Veränderungen planen Sie dank der Finanzspritze?
DM: Als KI-Team konzentrieren wir uns darauf, das Machine-Learning-Team als ein unabhängiges Produktteam funktionieren zu lassen, das ausgehend von Benutzer-/Kundenforschungsinterviews End-to-End-Lösungen bieten kann.
Wir möchten Expert*innen anstellen, um mit ihnen dasselbe zu erreichen. Wir kommunizieren indirekt, dass CANDIS die gültige Norm für Produkt zur Informationsextraktion ist. Wir wollen in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen.
In Berlin haben sich bislang die meisten Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz gegründet und niedergelassen. Welche Vorteile sehen Sie in dem Standort?
DM: Berlin ist ein ständig wachsendes Zentrum für Start-ups in Europa. Das Ökosystem, von dem auf ML/KI basierende Start-ups umgeben sind, ist unglaublich. Es ist spannend, regelmäßig neuartige Ideen und Theorien über Meetups und Konferenzen vorzustellen. Unternehmen sind auch offen für das Diskutieren und Veröffentlichen der Kernpunkte beispielsweise für Medium-Forschung, sodass Kolleg*innen diese Ansätze festigen und skalierbar machen können. Die Verlagerung neuartiger Forschungsarbeiten in die Community trägt auch dazu bei, dass diese von anderen aufgegriffen und die mit neuen Ideen aufgebauten Algorithmen verbessert werden; diese bekommen dadurch eine Bedeutung für die Zukunft, wovon langfristig gesehen wiederum alle profitieren werden. Es ist einfacher, Praktikant*innen zu finden und mit sachverständigen Doktorierenden für die Forschung zusammenzuarbeiten, wie wir es bei einem Projekt für die Investitionsbank Berlin (IBB) hatten, bei dem wir mit der TU Berlin zusammenarbeiteten und dabei Zugriff auf ihre Forschungslabore bekamen.