Elisa Czerski © Kopf&Kragen Berlin (Mark von Wardenburg)

05 Januar 2023

„Wir möchten das Thema Robotik noch stärker in den Fokus des gesellschaftlichen Diskurses rücken und Menschen die Berührungsängste nehmen.“

Mehr und mehr Einrichtungen und Unternehmen entdecken die Vorteile des Einsatzes von Robotik für ihre tägliche Arbeit. Doch nicht alle haben auch intern die Expertise und Arbeitskraft, um diese zielführend einzusetzen. Für diesen Fall hat Elisa Czerski N Robotics gegründet: Das Unternehmen möchte ein Ökosystem rund um die mobile Robotik aufbauen, um Kund*innen und Partner*innen die volle Flexibilität und die Möglichkeit der eigenen Applikationsentwicklung zu bieten. Wir haben mit Elisa Czerski über die Idee und Entwicklung hinter dem Unternehmen gesprochen.

 

Liebe Frau Czerski, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview nehmen! Sie sind studierte Philosophin. Gibt es eine philosophische Weisheit, die Sie durch Ihre bisherige Karriere begleitet hat?

Ich habe damals angefangen, Philosophie zu studieren, um Antworten zu finden. Ich habe aber während meines Studiums schnell gelernt, dass es in der Philosophie keine richtigen oder falschen Antworten gibt, sondern nur lediglich Thesen, die entweder besser oder schlechter begründet sind. Die Philosophie hat mich also gelehrt, Dinge stärker zu hinterfragen, logisch zu argumentieren und damit bessere, fundiertere Entscheidungen zu treffen. Oft steht man, besonders als Gründerin, genau vor der Herausforderung, schnell Entscheidungen treffen zu müssen, ohne genau absehen zu können, was richtig und was falsch ist. Gleichzeitig trägt man eine große Verantwortung gegenüber den Mitarbeiter*innen und Kund*innen und versucht stetig, dieser gerecht zu werden. An dieser Stelle hilft mir oft dieser philosophische Ansatz.

 

N Robotics wurde 2021 als Full-Stack-Robotik-Unternehmen gegründet. Wie genau sieht Ihr Firmenmodell aus?

Wir haben uns als Ziel gesetzt, ein gesamtes Ökosystem rund um die mobile Robotik zu schaffen, das unseren Kund*innen und Partner*innen die volle Flexibilität und die Möglichkeit der eigenen Applikationsentwicklung bietet.
Derzeitig existierende Systeme am Markt bieten entweder nur stationäre Robotik-Lösungen an, wie Roboterarme, oder kommen aus der Forschung und sind nicht für eine breite industrielle Anwendung ausgelegt.

Im Zentrum unserer gesamten Entwicklungen hingegen steht immer der/die Kund*in und der Wunsch, unsere Technologie so weit verfügbar zu machen wie nur möglich, weswegen wir auch auf eine vollständig eigene Produktion setzen. Dies macht uns unabhängig von Zulieferern und ermöglicht uns alle Produkte hinsichtlich Leistung und Preis an die jeweilige Applikation anzupassen. Die meisten unserer Kund*innen nutzen unsere Roboter für die mobile Erhebung von unterschiedlichen Daten, die mit Hilfe unserer eingebauten Sensorik autonom aufgenommen und anschließend mit Hilfe von KI ausgewertet werden können.

 

Im Fokus Ihrer Arbeit steht das Leitmotiv, allen Menschen die Teilnahme an der digitalen Transformation zu ermöglichen. Warum ist diese Prämisse für Sie besonders wichtig?

Ich bin in einer stark digitalisierten Welt aufgewachsen und konnte die enormen technischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte miterleben, wodurch in mir früh der Wunsch entstand, diese technische Entwicklung aktiv und positiv mitzugestalten.

Oftmals passiert technischer Fortschritt top-down, das bedeutet, dass er anfangs meistens nur einer kleinen Gruppe von Menschen und Unternehmen vorbehalten ist.

Wir denken, dass Technologien wie KI und Robotik aber so maßgeblich unseren Alltag in Zukunft bestimmen werden, dass sie nicht nur aus unserer Gesellschaft heraus, sondern auch für sie entstehen und genutzt werden sollten. Nur so können Produkte geschaffen werden, die langfristig das Potenzial haben, unserer Leben zu verbessern und Menschen aktiv zu helfen. Deswegen verfolgen wir mit N Robotics das Ziel, genau ein solches Unternehmen aufzubauen, was neben Diversität, Verantwortung und Fortschritt auch stark auf Zugänglichkeit setzt.

 

Ihre Lösungen bieten Sie unter anderem akademischen Einrichtungen an. Wie kann man sich eine solche Lösung vorstellen? Können Sie uns ein oder zwei Beispiele nennen?

Viele unserer Produkte sind wegen der Offenheit unserer Hard- und Software sowie dem Grad an Kompatibilität mit anderen existierenden Systemen besonders interessant für Forschungseinrichtungen und Universitäten. Insbesondere unsere Roboter werden oftmals für die Erforschung und Entwicklung unterschiedlicher Applikationen genutzt.
Die Zusammenarbeit mit Universitäten ermöglicht es uns an Projekten zu arbeiten, die nicht ausschließlich an den derzeitigen Marktbedürfnissen ausgerichtet sind, sondern ein langfristiges Forschungsinteresse verfolgen. Oftmals entstehen aus solchen Projekten länger währende engere Partnerschaften und Kooperationen, in denen wir aktiv Ressourcen und Wissen austauschen und so gemeinsam einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung neuer Technologien beitragen können.

 

Wie läuft eine solche Zusammenarbeit in etwa ab?

Am Anfang jeder Robotik-Lösung steht zunächst ein Automatisierungswunsch bzw. ein bestimmtes Forschungsinteresse. Da es sich bei der mobilen Robotik um einen noch sehr jungen Markt mit überschaubar vielen Marktteilnehmer*innen handelt, bedienen sich viele Kund*innen zunächst an den verfügbaren Lösungen auf dem Markt und werden dann schnell mit gewissen Limitierungen dieser Systeme konfrontiert.
Hauptsächlich finden sich diese Limitationen hinsichtlich der Adaptierbarkeit, Offenheit der Hard- und Software, der Performance, Effizienz, sowie Preispunkt und der Lieferkapazitäten. Wir versuchen dann zunächst die genauen Wünsche und Anforderungen des/der Kund*in zu verstehen und ein gemeinsames MVP (Minimum Viable Product) zu entwickeln, das entweder auf einem unserer bestehenden Produkte basiert oder das wir speziell für den/die Kund*in entwickeln und bei uns produzieren.

 

Sie haben Ihr Unternehmen 2021 gegründet. Wie verlief Ihr Weg bis zur Gründung? War die Robotik schon länger Ihr Wunsch-Anwendungsfeld?

Tatsächlich war Robotik seit meiner Jugend mein Traumberufsfeld, denn es verbindet auf einzigartige Weise Physik, Elektronik, Mechanik, Software und Design mit ethischen und gesellschaftlichen Fragestellungen. Aber lange blieb es nur ein Wunschtraum, bis ich mich nach meinem Studium selbsttätig machte und ich dann durch den Ausbruch der Pandemie den finalen Anstoß erhalten habe zu gründen.

Danach fing die Suche nach potenziellen Mitgründer*innen und Gesellschafter*innen an, sowie das Aufstellen einer Business- und Finanzplanung. Als erstmalige Gründerin im Tech-Bereich merkte ich aber schnell, dass man in Deutschland mit vielen Hindernissen zu kämpfen hat.
Ich habe in den anderthalb Jahren vor allem lernen müssen, mir selbst und meinem Bauchgefühl stärker zu vertrauen und mich nicht zu sehr von den Meinungen der anderen beeinflussen zu lassen.

 

Neben Ihrer Arbeit bei N Robotics haben Sie die Initiative Rethink Ethics and Tech gegründet, die das Ziel hat, einen neuen praktischen Ansatz in der Philosophie zu verfolgen und diese akademischen Fähigkeiten auf die Frage anzuwenden, wie Technologien entwickelt, gestaltet und genutzt werden können, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Inwiefern bringen Sie diesen Ansatz in Ihre tägliche Arbeit mit ein?

Meine Erfahrung bei Rethink Ethics and Tech hat den Grundstein für meine Gründung von N Robotics gelegt. Ich habe mich mit Rethink Ethics noch in meinem Studium selbständig gemacht und konnte meine erste Erfahrung mit Projekten und Kund*innen sammeln. Gleichzeitig merkte ich, welche Nachteile es mit sich bringt, allein zu arbeiten und nicht auf ein Team zählen zu können. Zudem entstand in mir der Wunsch, nicht mehr nur über die inklusive und verantwortungsvolle Entwicklung und Verwendung von Technologie zu sprechen oder zu schreiben, sondern diese selbst umzusetzen. N Robotics bietet mir durch dessen Ressourcen und die Produkte, mit denen wir versuchen, technisch neuen Maßstäbe setzen, einen deutlich größeren Hebel, um dieses Ziel zu erreichen.

 

In Berlin gibt es eine nach wie vor wachsende, große KI-Szene. Welche Vorteile birgt der Standort für Sie?

Bei der Gründung haben wir lange abgewogen, was der richtige Standort für uns sein würde. Da ich schon seit Jahren in der Berliner KI- und Gründerszene aktiv und dort gut vernetzt war, ist die Entscheidung schlussendlich auf Berlin gefallen. Wir schätzen die diverse und offene Kultur, die es neuen Mitarbeiter*innen einfach macht, sich schnell einzuleben, sowie die immer weiterwachsende Community im Bereich KI.

Ich war überrascht, welchen überwältigenden Zuspruch und welche Unterstützung wir aus dieser Community erhielten und welche Vorteile es bereits bei potenziellen Kund*innen und Mitarbeiter*innen für uns hatte, dass wir in Berlin sind. Ich freue mich, nun aktiv Teil dieser Szene sein zu können und das Potenzial der Verbindung von KI und Robotik weiter aufzuzeigen.

 

Zu guter Letzt: Welche Pläne haben Sie und N Robotics für die Zukunft? Worauf dürfen wir gespannt sein?

Wir möchten das europäische Unternehmen für mobile Robotik werden, das federführend bei der Entwicklung neuer Technologien und Applikationen ist. Wir möchten das Thema Robotik noch stärker in den Fokus des gesellschaftlichen Diskurses rücken und Menschen die Berührungsängste nehmen. Gleichzeitig haben wir es uns zum Ziel gesetzt nicht nur innerhalb des Unternehmens weiter Diversität, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung zu fördern, sondern auch unsere Zusammenarbeit mit Vereinen, Schulen und Einrichtungen auszubauen.